Ximelagatran versus Warfarin
Schlaganfallprävention bei Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern (SPORTIF II).
Titel
Ximelagatran versus warfarin for stroke prevention in patients with nonvalvular atrial fibrillation. SPORTIF II: a dose-guiding, tolerability, and safety study.
Autoren
Petersen P, Grind M, Adler J, for the SPORTIF II Investigators
Quelle
J Am Coll Cardiol. 2003 May 7;41(9):1445-51
Abstract |
Fragestellung
Wie sicher und verträglich ist der oral verfügbare, direkte Thrombininhibitor Ximelagatran in drei verschiedenen Dosierungen im Vergleich zur Standardtherapie mit Warfarin bei Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern und mittlerem bis hohem Risiko für ein zerebrovaskuläres Ereignis?
Hintergrund
Vorhofflimmern ist ein unabhängiger Risikofaktor für das Erleiden eines Schlaganfalls und ist mit einer Inzidenz von bis zu 10% bei über 75-Jährigen die häufigste Arrhythmie in der klinischen Praxis. Das Risiko für einen Schlaganfall beträgt etwa 5%/Jahr bzw. 12%/Jahr für ein Rezidiv bei bereits stattgehabtem Schlaganfall oder TIA. Standardtherapie ist bei mittlerem und hohem Risiko die orale Antikoagulation mit einem Cumarinderivat. Diese kann eine relative Risikoreduktion von 62% gegenüber Placebo erreichen. Ximelagatran ist ein oral verfügbarer, direkter Thrombininhibitor, welcher in der Gerinnungskaskade die Konversion von Fibrinogen zu unlöslichem Fibrin durch Thrombin hemmt. Die pharmakokinetischen Eigenschaften machen dabei eine Dosisanpassung oder Gerinnungsüberwachung überflüssig.
Methoden
Studiendesign
Randomisierte, prospektive, multizentrische Dosisfindungsstudie mit Parallelgruppen zum Doppelblindvergleich von drei Ximelagatrandosierungen gegen eine offene Warfaringruppe.
Setting
Durch 37 Zentren in 11 Ländern in Europa und den USA wurden insgesamt 257 Patienten in 1:1:1:1 Blöcke randomisiert.
Einschlusskriterien
Patienten mit chronischem Vorhofflimmern und mindestens einem der folgenden Risikofaktoren für einen Schlaganfall: Bekannte arterielle Hypertonie, Alter > 65 Jahre, vorhergehender Schlaganfall oder TIA oder periphere Embolisation, linksventrikuläre Dysfunktion, Diabetes, KHK.
Ausschlusskriterien
Schlaganfall oder systemische Embolie innerhalb der letzten 2 Jahre, erhöhtes Blutungsrisiko, Vorhofflimmern durch reversible Auslöser, künstliche Herzklappen, Myokardinfarkt, ACB oder PTCA in den letzten 3 Monaten, NSAID oder Thrombolyse in der vorhergehenden Woche, Niereninsuffizienz, Status nach rheumatischem Fieber, Leberinsuffizienz, Blutdruck > 180/100 mm Hg, Hb < 100 g/l, Tc < 100’000, Kontraindikation gegen Warfarin.
Intervention
Drei Gruppen erhielten 20 mg (n = 66), 40 mg (n = 62) oder 60 mg (n = 59) Ximelagatran zweimal pro Tag peroral (doppelblind), die vierte Gruppe erhielt Warfarin dosisangepasst (n = 67) mit einem Ziel-INR von 2.0-3.0 (offen).
Primäre Endpunkte
- Schlaganfälle oder TIAs im Studienzeitraum
- Blutungskomplikationen:
- Major-Blutungen: zerebral, retroperitoneal, intraokular, spinal, perikardial, Hb-Abfall > 2 g/dl, transfusionspflichtig, Notwendigkeit einer chirurgischen oder medikamentösen Behandlung
- Minor-Blutungen: nur klinisch offensichtliche Blutung ohne Kriterien für Major-Blutung
Sekundäre Endpunkte
Unerwünschte Ereignisse, Labor-Monitoring (Chemie, Hämatologie, Urin-Hb, Stuhl-Hb).
Beobachtungsdauer
Zwölf Wochen Behandlungsphase.
Resultate
Basisdaten
Es bestand eine gleichmässige Verteilung zwischen den Behandlungsgruppen bezüglich Alter (im Mittel 70 Jahre), Geschlecht (61% Männer), bekannter Hypertonie (57%), Anzahl zusätzlicher Risikofaktoren und Begleitmedikation.
Patienten
Randomisiert wurden 257 Patienten, davon brachen 47 vorzeitig ab (18 wegen unerwünschter Ereignisse). Die Medikamenten-Compliance betrug 96-100% in den Ximelagatrangruppen, der Ziel-INR unter Warfarin konnte bei 57% nach 12 Wochen erreicht werden.
Gruppenvergleich der Endpunkte
Insgesamt kam es zu 4 neurologischen Ereignissen: Ein Schlaganfall und eine TIA in der 60 mg-Ximelagatrangruppe, 2 TIAs unter Warfarin. Dies ohne statistische Signifikanz.
Es trat eine Major-Blutung (vaginal, transfusionspflichtig) in der Warfaringruppe und keine unter Ximelagatran auf. Minor-Blutungen wurden bei 4 (20 mg), 5 (40 mg) und 7 (60 mg) Patienten mit Ximelagatran und bei 6 Patienten unter Warfarin festgestellt. Ebenfalls ohne statistische Signifikanz.
Unerwünschte Ereignisse: Makrohämaturie (10.4% unter Warfarin versus 5.9% unter Ximelagatran), Durchfall (3.2% Ximelagatran), Kopfschmerzen und Schwindel.
Eine asymptomatische Erhöhung der S-ALAT über das dreifache der Norm wurde bei 8 Patienten (4.3%) unter Ximelagatran, dosisunabhängig beobachtet. Diese normalisierten sich unter fortgesetzter Therapie bei 5 und nach Absetzen bei 3 Patienten.
Diskussion durch die Autoren
Nachdem sich Ximelagatran zur Prävention der tiefen Beinvenenthrombose bei orthopädischen Hochrisikopatienten als gut verträglich und effizient erwiesen hat, ist SPORTIF II nun die erste Studie zur Prävention von thrombembolischen Ereignissen bei Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern. Es wird auf die Vergleichbarkeit der Patientenpopulation mit den früheren, grösseren Schlaganfallpräventionsstudien hingewiesen. Nur 34% der Warfarinpatienten waren bei Studieneinschluss im INR-Zielbereich, nach Abschluss der 12 Wochen immerhin 57%, dies in Übereinstimmung mit anderen Studien und Erfahrungen bei kontrollierter oraler Antikoagulation. Die vorliegenden Resultate mit einer festen Ximelagatrandosis ohne notwendige Gerinnungskontrollen und ohne vermehrte Blutungsereignisse gegenüber Warfarin unterstützen weitere Untersuchungen von Ximelagatran bei Vorhofflimmern mit grösseren Patientenzahlen. Die Gesamtrate an zerebrovaskulären Ereignissen ist zu klein, um klare Schlüsse ziehen zu können, ist aber in den Ximelagatrangruppen zumindest nicht höher als unter Warfarin gewesen. Genauerer Beobachtung bedarf der Anstieg der S-ALAT unter Ximelagatran.
Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass eine feste, oral verabreichte Dosis von bis zu 2 x 60 mg/Tag Ximelagatran bei der untersuchten Patientengruppe ohne die Notwendigkeit einer Gerinnungskontrolle gut verträglich ist.
Limitation der Studie sind die relativ geringe Patientenzahl und kurze Behandlungsdauer, grössere und längere Studien sind bereits in Arbeit.
Zusammenfassender Kommentar
In bisherigen Studien konnte bei orthopädischen Hochrisikopatienten eine gute Wirksamkeit und Verträglichkeit bei der Prävention von thrombembolischen Komplikationen gezeigt werden, auch die ersten Therapiestudien bei thrombembolischen Ereignissen ergaben vielversprechende Resultate. In einer weiteren Studie konnte nun gezeigt werden, dass der direkte Thrombininhibitor Ximelagatran ein vielversprechender Konkurrent der oralen Antikoagulation werden kann und den behandelnden Ärzten durch feste Dosierungen und nicht mehr notwendige Gerinnungskontrollen das Leben einfacher machen könnte. Bei schlaganfallgefährdeten Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern fand sich unter Ximelagatran weder eine erhöhte Rate an zerebrovaskulären Ereignissen noch an relevanten Blutungskomplikationen. Dies muss nun in grösseren Studien bestätigt werden. Auch in Bezug auf die Verträglichkeit und insbesondere den beobachteten Anstieg der S-ALAT sind umfangreichere Studien abzuwarten. Weiterhin wird sich die Frage nach den Therapiekosten stellen.
Bemerkungen zum Studiendesign und Beschreibung
Nachdem umfangreiche Studien in der tiefen Venenthrombose-Prävention bei orthopädischen Hochrisikopatienten vielversprechende Resultate gezeigt haben, ist das Design der vorliegenden Studie an erste, zu sammelnde Erfahrungen bei Patienten mit Vorhofflimmern angepasst und soll den Weg für grössere und vor allem Langzeitstudien bereiten. Man wartet gespannt auf die Publikation der Sportif III-Studie, welche bereits im Mai am ACC in Chicago vorgestellt wurde (3’407 Patienten; 2 x 36 mg Ximelagatran gegen Warfarin; Vorteil zugunsten von Ximelagatran in Bezug auf thrombembolische Ereignisse und Blutungskomplikationen) und die Sportif V, welche gegen Ende des Jahres beendet wird (zusätzlich doppelblind geprüft).
Besprechung von Dr. med. D. Wallmann, Oberarzt, Kardiologie, Schweizer Herz- und Gefässzentrum Bern, Universitätsklinik Inselspital, 3010 Bern.
J Am Coll Cardiol. 2003 May 7;41(9):1445-51 - P. Petersen et al
24.03.2004 - dde