Tiotropium bei COPD über 4 Jahre sicher und effektiv
Die am ERS 2008 vorgestellte UPLIFT-Studie hat den Langzeiteffekt von Tiotropium bei fast 6000 COPD-Patienten untersucht.
Titel
A 4-year trial of tiotropium in chronic obstructive pulmonary disease
Autoren
Tashkin DP, Celli B, Senn S, Burkhart D, Kesten S, Menjoge S, Decramer M; UPLIFT Study Investigators
Quelle
NEJM 2008;359:1543-1554. Epub 2008 Oct 5.
Abstract
Slide Kit der UPLIFT-Präsentation (pdf 438 kB)
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Fragestellung
Welchen Einfluss hat das langwirksame Anticholinergikum Tiotropium bei einem breiten Spektrum an COPD-Patienten über eine lange Beobachtungszeit in Bezug auf Lungenfunktion, Lebensqualität, Exazerbationen, Hospitalisationen und Mortalität?
Hintergrund
Tiotropium hat seinen positiven Einfluss auf Lungenkapazität, Überblähung, Exazerbationen und Lebensqualität von COPD-Patienten in einer Vielzahl von Studien über Untersuchungsperioden von 6 Wochen bis 12 Monate unter Beweis gestellt. In UPLIFT wurden nun erstmalig die Auswirkungen einer Therapie mit Tiotropium auf den Krankheitsverlauf über mehrere Jahre untersucht.
Methoden
Studiendesign, Setting
Randomisierte, placebokontrollierte Doppelblindstudie in 490 klinischen Zentren in 37 Ländern auf der ganzen Welt.
Studienpopulation
5993 Patienten mit moderater bis schwerer COPD (postbronchodilatorisches FEV1 < 70%).
Intervention
2987 Patienten erhielten während 4 Jahren täglich Tiotropium 18 ug.
3006 Patienten erhielten während 4 Jahren täglich Placebo.
Zusätzlich waren alle Medikationen zur Behandlung der COPD erlaubt, ausser inhalative Anticholinergika (Studienmedikament).
Primärer Endpunkt
- Abfall des FEV1 während 4 Jahren (gemessen vor und nach Bronchodilatation).
Sekundäre Endpunkte
- Mortalität
- COPD-Exazerbationen
- Hospitalisationen wegen Exazerbationen
- Lungenfunktion
- Gesundheitsbezogene Lebensqualität (St. George's Respiratory Questionnaire)
Beobachtungsdauer
Die Studiendauer betrug 4 Jahre, der Follow-up noch 30 Tage länger. Regelmässig erfolgten klinische Kontrolluntersuchungen und Spirometrien.
Resultate/Gruppenvergleiche
Patientencharakteristika
45% der durchschnittlich 65-jährigen Patienten hatten eine COPD im Stadium II (FEV1 von 50-80% des Solls) und 44% eine COPD im Stadium III (FEV1 von 30-50% des Solls). Ca. 70% aller Patienten nahmen zusätzlich zur Studienmedikation langwirksame Betaagonisten und/oder inhalierbare Steroide zu sich, waren also mehrfach therapiert. 30% rauchten.
Studienergebnisse
Tiotropium zeigte in UPLIFT eine signifikante und anhaltende Verbesserung der Lungenfunktion. Die absolute Verbesserung des FEV1 um 87-103 ml vor Bronchodilatation unter Tiotropium gegenüber der Kontrollgruppe hielt während 4 Jahren an, wie Abbildung 1 illustriert (p<0.001). Bei Patienten, die Tiotropium über den gesamten Studienzeitraum ununterbrochen einnahmen, betrug die Mortalitätsreduktion sogar 16%.
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Abbildung 1: FEV1 im Verlauf der 4-jährigen Studienphase |
Die Rate der Lungenfunktionsabnahme änderte sich im Vergleich zur Kontrollgruppe jedoch nicht signifikant.
Die sekundären Endpunkte wurden durch Tiotropium mehrheitlich signifikant positiv beeinflusst. Die Lebensqualität war zu jedem Zeitpunkt besser (um 2.3 bis 3.3 Einheiten, p<0.001) und die Anzahl von Exazerbationen (siehe Abbildung 2) sowie das Risiko einer Hospitalisation aufgrund von Exazerbationen war geringer (jeweils eine Hazard Ratio von 0.86 versus Kontrollgruppe, p<0.001 respektive p=0.002).
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Abbildung 2: Exazerbationen über die gesamte Studiendauer | |
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Das Mortalitätsrisiko war in der Tiotropiumgruppe während der Studiendauer um signifikante 13% geringer als in der Kontrollgruppe (Hazard Ratio 0.87, p=0.034). Diese Reduktion der Mortalität galt sowohl für respiratorische als auch für kardiovaskuläre Todesursachen.
Unerwünschte kardiovaskuläre Ereignisse wie Myokardinfarkt, Hirnschlag oder andere waren in der Tiotropiumgruppe seltener als in der Kontrollgruppe (Hazard Ratio 0.84).
Diskussion durch die Autoren
In der Tiotropiumgruppe zeigte sich gegenüber der Kontrollgruppe trotz intensiver Begleitmedikation (unter anderem mit langwirksamen Betaagonisten und inhalierbaren Steroiden) eine signifikant bessere Lungenfunktion, und zwar konstant über 4 Jahre (keine Toleranzbildung). Die Progression der FEV1-Abnahme konnte jedoch nicht verzögert werden.
Exazerbationen konnten durch Tiotropium verhindert und die Lebensqualität verbessert werden. Ausserdem war die Einnahme von Tiotropium mit einer geringeren respiratorischen und kardialen Morbidität sowie Mortalität assoziiert.
Kommentar von Prof. Dr. med. Michael Tamm, Leiter des Behandlungszentrums Lunge am Universitätsspital Basel
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Prof. M. Tamm |
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Die Studienergebnisse bestätigen den therapeutisch wichtigen Effekt der Bronchodilatation durch Anticholinergika in Bezug auf Morbidität und Mortalität von COPD-Patienten. Ausserdem verringern Anticholinergika das Residualvolumen und damit die Überblähung, was die Atmung von COPD-Patienten erleichtert.
Langwirksame Anticholinergika sind gemäss internationalen Therapieempfehlungen die Therapie der ersten Wahl bei Patienten mit COPD. Diese Langzeitergebnisse der UPLIFT-Studie untermauern diese Richtlinien. Wie diese Resultate vermuten lassen und frühere Studien belegt haben, besteht ein additiver Effekt von Anticholinergika und Betamimetika. Meine Therapiestrategie bei COPD ist je nach Stadium die folgende: Im Stadium I der COPD verschreibe ich ein Medikament - das Anticholinergikum; im Stadium II zwei Medikamente - zusätzlich ein langwirksames Betamimetikum und im Stadium III drei Medikamente - zusätzlich ein inhalierbares Steroid.
Bei COPD und Asthma werden grundsätzlich die gleichen Substanzen als Therapie eingesetzt, die Reihenfolge des Einsatzes ist aber eine ganz andere. COPD-Patienten profitieren in erster Linie von einem Anticholinergikum, Asthmapatienten von der Entzündungshemmung durch inhalierbare Steroide. Dieser Unterschied macht es auch so wichtig, dass eine COPD klar von einem Asthma abgegrenzt wird. Und darum empfehle ich allen Hausärzten, in der Praxis Spirometrien durchzuführen.
Und zum Schluss noch ein Wort zu den Mortalitätsergebnissen. Vor einigen Wochen ist im JAMA eine Metaanalyse erschienen, welche eine Assoziation zwischen der Einnahme von Anticholinergika und einer erhöhten kardiovaskulären Mortalität vermuten liess. Die Ergebnisse der prospektiven UPLIFT-Studie an fast 6'000 Patienten zeigt, dass eher das Gegenteil zutrifft. Vorsichtig interpretiert kann gesagt werden, dass Anticholinergika bei COPD-Patienten eine sichere Sache sind, optimistisch ausgedrückt zeigen die Daten, dass Anticholinergika die Mortalität reduzieren, insbesondere auch die kardiovaskuläre Mortalität.
Slide Kit der UPLIFT-Präsentation (pdf 438 kB)
NEJM 2008;359:1543-1554 - Tashkin DP et al
24.11.2008 - dde
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