Rofecoxib in der Behandlung der rheumatoiden Arthritis
Eine Cochrane Review zur Wirksamkeit des COX-2-Hemmers Rofecoxib.
Titel
Rofecoxib for the treatment of rheumatoid arthritis (Cochrane Review).
Autoren
Garner S, Fidan D, Frankish R, Judd M, Towheed T, Wells G, Tugwell P.
Quelle
Cochrane Database Syst Rev 2002;(3):CD003685
Abstract |
Fragestellung
Diese Cochrane Review analysiert die vorhandene Evidenz für die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Rofecoxib in der Behandlung von rheumatoider Arthritis.
Hintergrund
Rheumatoide Arthritis (RA) ist eine systemische Autoimmunerkrankung, welche ca. 1% der weltweiten Population betrifft. Obwohl die Erkrankung nicht geheilt werden kann, können die durch die Entzündung bedingten Symptome durch antientzündliche Medikamente verringert werden. Nebst den sogenannten DMARD (disease modifying anti rheumatic drugs), welche den Verlauf der Erkrankung beeinflussen können, spielen nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) eine wichtige Rolle als unterstützende analgetische und antientzündliche Medikamente. Die wichtigsten Nebenwirkungen dieser sehr häufig verschriebenen Medikamente betreffen den Gastrointestinaltrakt und umfassen Ulcera und Perforationen mit potentiell bedrohlichen Blutungen. NSAR wirken durch die Hemmung des Enzyms Cyclooxygenase (COX), das Arachidonsäure in Prostaglandine umwandelt, welche in Entzündungsreaktionen eine wichtige Rolle spielen. Es existieren 2 Isoformen der COX, COX-1 und -2. Im Gegensatz zur konstitutiv exprimierten COX-1 ist COX-2 normalerweise nicht nachweisbar und wird erst in Anwesenheit von entzündlichen oder mitogenen Stimuli exprimiert, u.a. in Synoviocyten und polymorphkernigen Leukozyten. Während COX-2 mehrheitlich für die entzündlichen Phänomene verantwortlich ist, scheinen die gastrointestinalen Nebenwirkungen der NSAR mehrheitlich durch die COX-1 Hemmung bedingt zu sein. Es wurden daher COX-2 selektive Hemmer, die sogenannten Coxibe entwickelt, in der Hoffnung damit die gleiche Wirksamkeit bei weniger gastrointestinalen Nebenwirkungen zu erreichen. Rofecoxib ist ein Vertreter dieser neuen COX-2 selektiven Hemmer.
Methoden
Studienselektion
Studien wurden nach folgenden Kriterien ausgewählt und in die Analyse eingeschlossen:
- Prospektive randomisierte Studien mit Paralleldesign
- Vergleich von Rofecoxib mit Placebo oder anderem NSAR
- Mindestens 50 Patienten pro Arm
- Behandlungsdauer von mindestens 4 Wochen
- keine gleichzeitige Anwendung von intraarticulären Steroiden
- Anwendung einer akzeptierten Methode zur Messung des Schweregrades und der Progression der Erkrankung (z.B. outcome measures for RA clinical trials, OMERACT)
Suchstrategie
Es wurde eine Datenbankanalyse von Medline, EMBASE, Cochrane Database of Systematic Reviews, Cochrane Controlled Trials Register (CCTR), National Research Register (NRR), NHS Economic Evaluation Database (NHS EED), Health Technology Assessment (HTA) database und weiteren Datenquellen zur Identifikation von Studien zu Rofecoxib in RA Patienten durchgeführt. Zwei Reviewer evaluierten unabhängig voneinander, ob die Einschlusskriterien erfüllt waren.
Qualitätsanalyse
Die Qualität der Studien wurde von 2 unabhängigen Reviewern untersucht und ein Qualitätsscore berechnet (Jadad & Schultz assessment tools). Kriterien waren dabei die Randomisierung, die Verblindung, die Anwendung einer Intention-to-treat Analyse sowie die Angabe von Studienabbrüchen.
Resultate
2 randomisierte kontrollierte Studien erfüllten die Einschlusskriterien. Beide sind doppelblinde Multizenterstudien mit total 8’734 Patienten:
- Schnitzer et al. The safety profile, tolerability, and effective dose range of rofecoxib in the treatment of rheumatoid arthritis. Phase II Rofecoxib Rheumatoid Arthritis Study Group. Clinical Therapeutics 1999;21(10):1688-1702
- Bombardier et al. Comparison of upper gastrointestinal toxicity of Rofecoxib and Naproxen in patients with reumatoid arthritis. The VIGOR trial. New England Journal of Medicine 2000;343(21):1520-1584
Wirksamkeit
Schnitzer et al. untersuchten Rofecoxib 5 mg, 25 mg und 50 mg täglich gegenüber Placebo.
Die Zahl der Patienten, die die Ansprechkriterien ACR 20 erfüllten (20% Verbesserung in vom American College of Rheumatology definierten Kriterien), waren in den Rofecoxib 25 und 50 mg Gruppen (48 vs. 53%) signifikant höher als in der Placebogruppe (35%).
Bombardier et al. untersuchten Rofecoxib 50 mg täglich gegenüber Naproxen 2 x 500 mg täglich. Die Werte für patient gobal assessment, investigator global assessment unterschieden sich nicht signifikant zwischen den Gruppen.
Verträglichkeit
Schnitzer et al. berichteten über keine Perforationen, Ulcera, Blutungen während der 8-wöchigen Studiendauer. Studienabbrüche wegen gastrointestinaler Nebenwirkungen waren in den Rofecoxibgruppen nicht signifikant häufiger als in der Placebogruppe (0%, 1.3%, 1.8%, 0% für Placebo bzw. Rofecoxib 5, 25, 50 mg). Die totale Anzahl Studienabbrüche wegen Nebenwirkungen war ebenfalls nicht signifikant unterschiedlich. In den 25 mg und 50 mg Rofecoxibgruppen kam es zu je einem Abbruch wegen Kreatininerhöhung.
Bombardier et al. berichteten über 16.4% Abbrüche in der Rofecoxibgruppe gegenüber 16.1% in der Naproxengruppe wegen Nebenwirkungen. Gastrointestinale Nebenwirkungen führten zu Abbrüchen in 7.8% bei Rofecoxib und 10.6% bei Naproxen. Die Inzidenz von gastrointestinalen Nebenwirkungen betrug 1.4% in der Rofecoxib- und 3.0% in der Naproxengruppe. Das relative Risiko eines gastrointestinalen Ereignisses war um 54% reduziert in der Rofecoxibgruppe verglichen mit Naproxen 2 x 500 mg (absolut 0.4% versus 0.9%). Die Autoren berechneten, dass 41 Patienten behandelt werden müssen, um ein gastrointestinales Nebenwirkungsereignis zu verhüten.
In der Rofecoxibgruppe waren schwere thrombotische Ereignisse signifikant gehäuft, die Inzidenz von Myokardinfarkten betrug 0.45% versus 0.1% in der Placebogruppe. Die Mortalität aufgrund kardiovaskulärer Ereignisse war jedoch in beiden Gruppen mit 0.2% gleich. Die Gesamtmortalität war vergleichbar mit 0.5% für Rofecoxib und 0.4% für Naproxen.
Diskussion durch die Autoren
Die VIGOR-Studie zeigte einen nicht signifikanten Vorteil von Rofecoxib gegenüber Naproxen in bezug auf die Wirksamkeit, weitere Studien sind nötig zur Analyse der Wirksamkeit von Rofecoxib in der RA-Therapie.
Bezüglich der Nebenwirkungen fehlen in der Studie von Schnitzer et al. Angaben zur totalen Anzahl von gastrointestinalen Nebenwirkungen, zudem ist die Studiendauer von 8 Wochen zu kurz, um den Schluss zuzulassen, dass das Risiko von gastrointestinalen Nebenwirkungen bei Rofecoxib gleich wie bei Placebo ist. Die VIGOR-Studie zeigt ein gegenüber Naproxen reduziertes Risiko für gastrointestinale Nebenwirkungen. In der Rofecoxibgruppe war das Risiko eines kardiovaskulären Ereignisses erhöht. Obwohl dies für einen prothrombotischen Effekt von Rofecoxib spricht, wird die Interpretation dadurch erschwert, dass eine Prophylaxe mit Aspirin in der Studie nicht erlaubt war und Naproxen einen antithrombotischen Effekt aufweist. Für letzteres sprechen weitere von den Autoren diskutierte Studien, welche keine Unterschiede in der Inzidenz von kardiovaskulären Ereignissen zwischen Rofecoxib und Nicht-Naproxen-NSAR feststellen konnten. In zukünftigen Studien wird die gleichzeitige Aspiringabe erlaubt sein, was jedoch wiederum das Risiko für gastrointestinale Nebenwirkungen erhöht, wie in der CLASS-Studie mit Celecoxib gezeigt wurde, wo Ulcera, Blutungen und Perforationen unter Celecoxib und Aspirin gleich häufig wie unter verschiedenen NSAR vorkamen (Silverstein et al, JAMA 2000;284(10):1247-55).
In bezug auf renale Nebenwirkungen sind bisher keine Unterschiede zwischen Coxiben und klassischen NSAR beschrieben worden, womit bei Risikopatienten die gleichen Vorsichtsmassnahmen anzuwenden sind.
Zusammenfassender Kommentar
Die vorliegende Cochrane Review untersucht die Literatur zur Wirksamkeit und Verträglichkeit von Rofecoxib in RA. Obwohl nur 2 randomisierte kontrollierte Studien eingeschlossen werden konnten, sind die Resultate aufgrund der hohen Patientenzahl aussagekräftig. Im wesentlichen wird eine gleichwertige Wirksamkeit von Rofecoxib im Vergleich zu Naproxen bestätigt. Wie erwartet sind die Nebenwirkungsraten bezüglich gastrointestinaler Ereignisse bei Rofecoxib behandelten Patienten gegenüber Naproxen vermindert und gegenüber Placebo nicht signifikant unterschiedlich, wobei letztere Aussage noch weiterer Bestätigung bedarf.
Aufgrund der Resultate der VIGOR-Studie scheinen allerdings die kardiovaskulären Ereignisse unter Rofecoxib gehäuft aufzutreten im Vergleich zu Naproxen. Dieser Effekt könnte jedoch durch den Ausschluss einer kardioprotektiven Aspirintherapie in der Studie und den bekannten antithrombotischen Effekt des Vergleichsmedikaments Naproxen bedingt sein. In anderen Studien zeigten sich jedenfalls keine Unterschiede zwischen Rofecoxib und Nicht-Naproxen-NSAR. Weitere Studien zu dieser Frage sind jedoch notwendig.
Bei Patienten, die einer kardioprotektiven Aspirintherapie bedürfen, scheint Rofecoxib bezüglich gastrointestinaler Nebenwirkungen keinen Vorteil zu bieten (in der CLASS-Studie mit Celecoxib war die Verminderung der gastrointestinalen Ereignisse bei gleichzeitig mit Aspirin behandelten Patienten nicht mehr nachweisbar).
Als Fazit hat Rofecoxib Vorteile bei der Behandlung von Patienten mit Risikofaktoren für gastrointestinale Nebenwirkungen und bietet sich deshalb als Alternative zur Kombinationstherapie mit einem klassischen NSAR und Gastroprotektiva an (Misoprostol, H2-Antagonisten, Protonenpumpenhemmer), sofern keine kardiovaskulären Risikofaktoren vorliegen, welche eine Aspirintherapie bedingen.
Bemerkungen zum Studiendesign und Beschreibung
Laut Autoren wurde bei der Datensynthese, dort wo die entsprechenden Angaben vorhanden waren, Adjustierungen für Alter, Geschlecht und Grunderkrankung vorgenommen. In der Meta-Analyse werden jedoch keine Angaben zu diesen Charakteristiken gemacht. Zudem verlieren die Autoren kein Wort zur Grösse der einzelnen Studien.
Es bestehen innerhalb der Publikation Unklarheiten in bezug auf die Grösse der Wirksamkeit der Impfung: Im Bericht über die Ergebnisse fehlen die genauen Zahlenangaben zu den verschiedenen Endpunkten der Meta-Analyse; es finden sich lediglich graphische Darstellungen. Diese decken sich in etwa mit den Zahlen im Abstract.
Besprechung von Dr. med. Diego Kyburz, Oberarzt Rheumaklinik, Universitätsspital Zürich
Cochrane Database Syst Rev 2002;(3):CD003685 - S. Garner et al
13.02.2004 - dde