NT-pro-BNP und Langzeitmortalität bei Patienten mit stabiler koronarer Herzerkrankung
Die prospektive Beobachtungsstudie untersuchte die prognostische Bedeutung des NT-pro-BNP-Spiegels hinsichtlich Langzeitmortalität beim Patienten mit stabiler KHK.
Titel
N-terminal pro-B-type natriuretic peptide and longterm mortality in stable coronary heart disease.
Autoren
Kragelund C, Gronning B, Kober L, Hildebrandt P, Steffensen R.
Quelle
N Engl J Med. 2005 Feb 17;352(7):666-75.
Abstract |
Hintergrund
Das Brain (B-type) natriuretic peptide (BNP) ist ein vornehmlich von den Herzkammern gebildetes Peptidhormon, welches bei erhöhter Wandspannung freigesetzt wird. Das inaktive Prohormon wird dabei in das aktive BNP und das inaktive N-terminale Fragment (NT-pro-BNP) gespalten. Erhöhte Werte im Blut resultieren aus regionaler oder globaler Einschränkung der ventrikulären systolischen oder diastolischen Funktion mit konsekutiv erhöhter ventrikulärer Wandspannung und möglicherweise auch direkt durch eine kardiale Ischämie. Gut untersucht ist die prognostische Bedeutung von BNP und NT-pro-BNP bei Patienten mit Herzinsuffizienz und akutem Koronarsyndrom. In der «Framingham heart study» zeigte sich das BNP als Risikomarker für Morbidität und Mortalität in der Allgemeinbevölkerung.
Die prognostische Bedeutung der natriuretischen Peptide bei stabiler KHK ist unbekannt und daher Gegenstand der vorliegenden Untersuchung.
Fragestellung
Prognostische Bedeutung des NT-pro-BNP Spiegels für die Langzeitmortalität bei Patienten mit stabiler, angiographisch nachgewiesener KHK und normaler systolischer linksventrikulärer Funktion.
Methoden
Studiendesign
Prospektive Beobachtungsstudie.
Setting
1’034 konsekutive Patienten des Rigshospitalet in Kopenhagen.
Einschlusskriterien
Patienten mit Angina pectoris oder Hinweisen für eine Ischämie im Belastungs-EKG oder einer Myokardszintigraphie, die für eine elektive Koronarangiographie zwischen Februar 1991 und Februar 1993 zugewiesen worden waren, wurden eingeschlossen.
Ausschlusskriterien
Patienten mit valvulärer oder kongenitaler Kardiopathie wurden ausgeschlossen.
Untersuchung
Koronarangiographie und Ventrikulographie, vorgängige NT-pro-BNP Bestimmung.
Endpunkt
Mortalität jeglicher Ursache.
Beobachtungsdauer
Nach einer mittleren Beobachtungsdauer von 9.2 Jahren wurden im August 2001 anhand des dänischen Personenregisters zwischenzeitliche Todesfälle registriert.
Statistik
Quartilisierung der NT-pro-BNP Werte, Gruppenvergleich bezüglich der Basisdaten, LV-Funktion und den Resultaten der Koronarangiographie. Kaplan- Meier Überlebenskurven. Multivariate Analyse mit den vorhandenen klinischen Kovariablen.
Resultate
Nach einer mittleren Beobachtungsdauer von 9.2 Jahren sind 288 Patienten (28%) verstorben. Es fanden sich signifikant tiefere NT-pro-BNP Spiegel bei den überlebenden gegenüber verstorbenen Patienten (120 pg/mL [interquartile range, 50-318] vs. 386 pg/mL [interquartile range, 146-897], p < 0.001).
Patienten im höchsten Quartil waren gegenüber dem untersten Quartil älter, hatten einen höheren linksventrikulären end-diastolischen Druck, hatten häufiger bereits einen Myokardinfarkt durchgemacht, eine signifikante KHK und Diabetes; die linksventrikuläre Auswurffraktion, der BMI und die Kreatinin- Clearance waren signifikant niedriger.
Relation der NT-pro-BNP-Spiegel zum Koronarstatus und der LV-Funktion
Mit zunehmendem Schweregrad der KHK (1-, 2-, 3- Gefäss- oder Hauptstamm-Beteiligung) und der systolischen Dysfunktion fanden sich erhöhte NT-pro- BNP-Werte. Bei den 506 Patienten mit normaler LVEF (> 60%) war das NT-pro-BNP bei bestehender KHK signifikant höher als bei den Patienten ohne nachgewiesene KHK.
Relation zwischen NT-pro-BNP und Mortalität jeglicher Ursache
Die unadjustierten Hazard Ratios (HR) für den Tod jeglicher Ursache der Patienten im 2. (64-169 pg/mL), 3. (170-455 pg/mL) und 4. Quartil (> 455 pg/mL) lagen verglichen mit dem 1. Quartil (< 64 pg/mL) bei 2.1; 3.5 bzw. 6.1 und waren jeweils signifikant. In der multivariablen Analyse blieben das 3. und 4. Quartil neben Alter, EF, Diabetes, Rauchen und vermuteter Herzinsuffizienz weiterhin signifikant mit einer HR von 1.9 bzw. 2.4 (95% CI 1.5-4.0; p < 0.001). NT-pro-BNP zeigte sich dabei als stärkerer prognostischer Marker als die konventionellen Risikofaktoren.
In der Subgruppenanalyse bei Patienten mit einer EF von = 60% oder < 60% fanden sich vergleichbare Resultate: Bei einer EF unter 60% lag die HR im 4. Quartil gegen das 1. Quartil bei 3.1 (p < 0.001). Ebenso war das NT-pro-BNP ein starker prognostischer Marker bei Patienten mit normaler EF und manifester KHK (HR 4. Quartil vs. 1. Quartil 1.9, p = 0.01). Der gleiche Trend fand sich auch bei Patienten mit einer normalen EF ohne manifeste KHK, allerdings nicht signifikant.
Diskussion durch die Autoren
Unabhängig von LV-Funktion und Schweregrad der KHK lieferte das im Rahmen einer Herzkatheteruntersuchung bestimmte NT-pro-BNP bei Patienten mit stabiler KHK prognostische Informationen bezüglich der Langzeit-Mortalität jeglicher Ursache. Damit wird dieser prognostische Marker nach Aussage über das Risiko in der Allgemeinbevölkerung und bei akutem Koronarsyndrom auf Patienten mit stabiler KHK und intermediärem Risiko ausgeweitet. Wie bereits andere Studien vermuten lassen, scheinen NT-pro-BNP Erhöhungen mit der koronaren Herzerkrankung assoziiert zu sein – und dies auch bei normaler LV-Funktion. Ob dabei die Ischämie selber, wie einige Untersuchungen vermuten lassen, oder Änderungen des ventrikulären Wandstresses die Freisetzung des BNP auslösen ist vorerst unklar. Die Tatsache, dass die vorliegende Assoziation des NT-pro-BNP in der vorliegenden Studie unabhängig von LV-Funktion und linksventrikulärem end-diastolischem Druck war, unterstützt nach Meinung der Autoren die Hypothese einer zusätzlichen direkten, ischämieinduzierten Freisetzung.
Da keine Informationen über die Todesursache verfügbar waren, kann eine erhöhte Rate an kardiovaskulären Ereignissen bei erhöhten NT-pro-BNP Spiegeln nur vermutet werden.
Als mögliche Hintergrundvariable werden das mit erhöhten natriuretischen Peptiden assoziierte Vorhofflimmern, welches leider nicht erfasst wurde, und eine unerkannte systolische oder diastolische Dysfunktion genannt.
Bei stabiler koronarer Herzerkrankung ist die frühzeitige Erkennung von Patienten mit besonders hohem oder sehr niedrigem Risiko wichtig, um Behandlungsstrategien optimal anzupassen. Weitere Untersuchungen müssen jedoch erst zeigen, ob NT-pro-BNP angepasste Behandlungsstrategien bei Patienten mit stabiler KHK zu einer Reduktion von Morbidität und Mortalität führen können.
Zusammenfassender Kommentar
Wie die Autoren bemerken, wird mit der vorliegenden Studie eine Lücke in der Erforschung der natriuretischen Peptide bei koronarer Herzerkrankung geschlossen. Nachdem die prognostische Bedeutung in der Allgemeinbevölkerung und bei akutem Koronarsyndrom untersucht wurde, scheint dies nun auch auf Patienten mit stabiler KHK übertragbar zu sein: Erhöhte natriuretische Peptide sind unabhängig von anderen prognostischen Faktoren mit einer Verschlechterung der Gesamtprognose verbunden. Ob sich die natriuretischen Peptide dann aber für eine routinemässige Risikostratifizierung mit entsprechenden Therapiekonsequenzen bei Patienten mit stabiler KHK eignen, muss wie erwähnt noch untersucht werden.
Bemerkungen zum Studiendesign und Beschreibung
Eine optimale Risikostratifizierung ist entscheidend für die Primär- und Sekundärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen. Die Schwäche der vorliegenden Studie liegt vor allem in der fehlenden Erfassung der Todesursachen. Dadurch lässt sich die Zuordnung zu einem erhöhtem kardiovaskulärem Risiko nur vermuten, ist aber entscheidend für eventuelle therapeutische Konsequenzen einer solchen Risikostratifizierung.
Besprechung von Dr. med. Dieter Wallmann, Klinik und Poliklinik für Kardiologie, Departement Herz und Gefässe, Universitätsklinik Inselspital, Bern.
N Engl J Med. 2005 Feb 17;352(7):666-75 - Kragelund C et al. - C Kragelund et al
27.09.2005 - undefined