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NSAR / COX 2-Hemmer zur Prävention der kardiovaskulären Ereignisse

Nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAR) gehören zu den meist verschriebenen Medikamenten weltweit. [1] Der Wirkungsmechanismus der NSAR besteht in der Hemmung des Enzyms Fettsäure- Cyklooxigenase (COX).

 

 

Hintergrund

Drei verschiedene COX wurden identifiziert: COX-1 ist ein gut kontrolliertes «konstitutives» Enzym, das in jedem Organ des menschlichen Organismus exprimiert wird und für die Integrität der Magenmucosa, die Durchblutung der Niere und die Aggregation von Thrombozyten zuständig ist. COX-2 dagegen ist ein induzierbares Enzym, das die Biosynthese höherer Konzentrationen von Prostaglandinen als wesentliche Entzündungsmediatoren katalysiert. COX-3 spielt eine Rolle beim Metabolismus des Paracetamols. In 1999 wurden die ersten selektiven Hemmer der COX-2 auf dem Markt eingeführt. Während die Erwartungen hinsichtlich der gastrointestinalen Verträglichkeit für alle Coxibe (Rofecoxib [2,4], Celecoxib [5], Lumiracoxib [7], Valdecoxib und Parecoxib) erfüllt wurden, zeigten hingegen die im Laufe des vergangenen Jahres publizierten Studien bezüglich der kardiovaskulären Nebenwirkungen eine deletäre Wirkung für vier der Substanzen (Rofecoxib [3,10], Celecoxib [6], Valdecoxib [9] und Parecoxib [9]). Nur die von Novartis lancierte TARGET-Studie [8] gab zwischen Lumiracoxib und NSAR keinen statistisch signifikanten Unterschied bezüglich der Häufigkeit von Myokardinfarkt, Herzinsuffizienz oder anderen thrombotischen Ereignissen. Die Schlüsselstudien sind die Folgenden:

 

 

APPROVe [3] (Adenomatous Polyp Prevention On VIOXX)

Fragestellung

APPROVe war eine multizentrische, randomisierte, placebokontrollierte, doppelblinde Studie. Untersucht wurde, wie die Wirkung einer 156 Wochen (3 Jahre) dauernde Behandlung mit Rofecoxib (Vioxx) auf das Wiederauftreten von adenomatösen Polypen bei Patienten mit einer Vorgeschichte von Darmpolypen ist.

 

Methoden

Ca. 2’600 Patienten (ca. 62% Männer) im Alter von 40 bis 96 Jahren wurden in diese Studie eingeschlossen. Die Verwendung von Aspirin während der Studie war erlaubt.

 

Resultate

In APPROVe wurde bei mit Vioxx behandelten Patienten ab dem 18. Behandlungsmonat ein erhöhtes relatives Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse im Vergleich zu Placebo festgestellt. Die Resultate für die ersten 18 Monate der Studie zeigten kein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse für Patienten unter Vioxx-Therapie. Diesbezüglich sind diese Resultate ähnlich wie die Resultate von zwei früheren placebokontrollierten Studien, die in der letzen U.S. Fachinformation beschrieben wurden. Merck befolgte die Empfehlungen des External Safety Monitoring Boards und beendete die Studie am 30. September 2004.

 

APC [6] – Adenoma Prevention with Celecoxib

Fragestellung

Die APC Studie war eine internationale, multizentrische, doppelblinde, placebokontrollierte Studie, die die Wirksamkeit und Sicherheit von Celecoxib 200mg zweimal täglich, Celecoxib 400 mg zweimal täglich und Placebo bei Patienten nach endoskopischer Kolon und/oder Rektum Polypektomie verglich. Der primäre Endpunkt war das Auftreten von adenomatösen Polypen im Colon und im Rektum nach einem Jahr und drei Jahren. Der Versuch wurde durch die Strang Cancer Prevention Center (New York) geführt und durch das National Cancer Institute und Pfizer co-gesponsert.

 

Methoden

In der APC-Studie erhielten die Studienteilnehmer 400 mg/d respektive 800 mg/d Celebrex oder Placebo. 91 Zentren nahmen teil (72 in den USA, 1 im UK, 8 in Australien und 10 in Kanada). Die Teilnehmer waren 32 bis 88-Jährig. Patienten mit einer klinisch bedeutenden Gefahr für ein colorektales Adenom aufgrund der Anamnese (mehrfaches Adenoma, vereinzeltes Adenoma mit mindestens 0.5 cm Durchmesser) wurden gescreent. 2035 Patienten wurden zwischen November 1999 und März 2002 in die Studie eingeschlossen. Vor Therapiebeginn wurden alle bekannten Adenome entfernt. Basierend auf den Rofecoxib-Studienresultaten wurde primär die kardiovaskuläre Sicherheit analysiert. Ein Ausgangsbericht kennzeichnete alle Todesfälle und mögliche nicht-tödliche kardiovaskuläre Ereignisse. Diese Fälle wurden danach bei einem spezifischen, unabhängigen Board dargestellt und klassifiziert. Die durchschnittliche Behandlungsdauer betrug 33 Monate.

 

Resultate

Im Vergleich zu Placebo war das Risiko für ein schwerwiegendes tödliches oder nicht-tödliches kardiovaskuläres Ereignis (Schlaganfall, Myokardinfarkt oder Tod) bei den Patienten mit Celebrex 400 mg/d um den Faktor 2.5 erhöht, bei 800 mg/d war das Risiko um den Faktor 3.4 erhöht. Die absoluten Zahlen dieser Studie mit über 2’000 Patienten ergaben folgende Häufigkeiten für schwerwiegende tödliche bzw. nicht-tödliche kardiovaskuläre Ereignisse: Placebogruppe (n = 679) 6 Ereignisse; 400 mg/d Celebrex (n = 685) 15 Ereignis; 800 mg/d Celebrex (n = 671) 20 Ereignisse. Trotz dieser insgesamt geringen Zahl kardiovaskulärer Ereignisse (41 Ereignisse) war die erhöhte Zahl von Ereignissen bei mit Celebrex behandelten Patienten gegenüber Placebo in beiden Dosierungsgruppen statistisch signifikant. Gemäss der NCI-Analyse betrug sie 0.9% in der Placebo-Gruppe, 2.2% unter 400 mg Celebrex und 3.0% mit 800 mg Celebrex.

 

TARGET [7,8] - Therapeutic Arthritis Research and Gastrointestinal Event Trial

Fragestellung

Das Ziel dieser Studie war die gastrointestinale und kardiovaskuläre Sicherheit des COX-2-Hemmers Lumiracoxib i.v. mit zwei nicht-steroidale Antiphlogistika (NSAR; Naproxen und Ibuprofen) zu testen.

 

Methoden

In dieser von Novartis initiierten multizentrischen, randomisierten, doppelblinden, NSAR-kontrollierten, internationalen Studie erhielten die Studienteilnehmer für ein Jahr entweder Lumiracoxib (9’156 Patienten), Naproxen (4’754 Patienten) oder Ibuprofen (4’415 Patienten). 18’325 Osteoarthritis-Patienten (50 Jahre oder älter) wurden randomisiert. Die Verwendung von 75-100mg/d Aspirin während der Studie war erlaubt (24% der Bevölkerung). Die Studie wurde danach zweiteilig analysiert. Der erste publizierte Teil galt der gastrointestinalen Sicherheit von Lumiracoxib. Der zweite Teil befasste sich, basierend auf den vorangegangenen Rofecoxib-Studienresultaten, mit der kardiovaskulären Sicherheit gemäss den Antiplatelet Trialists’ Collaboration Richtlinien.

 

Resultate

Diese Studie zeigte, dass die Häufigkeit des primäres Endpunkts (fatale und stille Myokardinfarkte, Schlaganfälle oder Tod) in allen Gruppen nach 1-Jahr niedrig (Lumiracoxib – 59 Fälle [0.65%]), NSAR 50 Fälle [0.55%]) war. Es waren auch keine statistischen Unterschiede festzustellen, wenn man Faktoren wie die Einnahme von Aspirin, Alter, Geschlecht, hohes kardiovaskuläres Risiko oder die cerebrovaskuläre Vorgeschichte mit einbezog.

 

Zusammenfassende Diskussion

In September 2004, nach Publikation der APPROVe [3] Studie, wurde Rofecoxib wegen eines offensichtlich erhöhten kardiovaskulären Risikos weltweit vom Markt genommen. Diese Studie zeigt, dass länger dauernde Einnahme von Vioxx mit einem erhöhten Risiko für kardial bedingten Tod, Herzattacken oder Schlaganfälle im Vergleich zu Placebo verbunden ist. Es wurde rückblickend in einer Metaanalyse, die neben Naproxen als Vergleichssubstanz auch Placebo und andere NSAR mit einbezieht, geschlussfolgert, dass Merck Rofecoxib auf Grund seiner kardiovaskulären Auswirkungen schneller vom Markt hätte zurückziehen müssen. [10]

 

Die APC-Studie [6] beweist im Gegensatz zur CLASSStudie [5] für Celecoxib, dass länger dauernde Einnahmen hoher Dosen (400-800 mg/d) von Celecoxib mit einem 2.5- bis 3.4-fach erhöhten Risiko für kardialen Tod, Herzattacken oder Schlaganfälle im Vergleich zu Placebo verbunden ist. Weder in der von Pfizer lancierten PreSAP-Studie (Prevention of Spontaneous Adenomatous Polyps), noch in der von National Institute of Health initiierten ADAPT-Studie (Alzheimer’s Disease Antiinflammatory Trial) wurde ein erhöhtes Risiko im Vergleich zu Placebo festgestellt. Aufgrund der Resultate der APC-Studie wurden die Behandlungsarme in allen drei erwähnten Studien (APC, PreSAP, ADAPT) abgebrochen.

Schliesslich konnte in der TARGET-Studie [8] für Lumiracoxib kein statistischer Unterschied bezüglich kardiovaskulärer Ereignissen festgestellt werden. Ein Trend bezüglich Häufigkeit von Myokardinfarkt zwischen Lumiracoxib (18 Fälle) und NSAR (10 Fälle) wurde jedoch beobachtet. [11] Deswegen sollte die Sicherheit von Lumiracoxib durch regierungsfinanzierte Studien überprüft werden. Die letzte Frage bleibt: Sind diese Nebenwirkungen Klassenwirkungen?

 

Besprechung von Dr. med. Stéphane Cook, Klinik und Poliklinik für Kardiologie, Departement Herz und Gefässe, Universitätsklinik Inselspital, Bern.

 

Referenzen
1. Peskar BA, Coxibe, eine Übersicht, Top Tipp, 2005, 1:1-3
2. Bombardier C., et al., Comparison of upper gastrointestinal toxicity of rofecoxib and naproxen in patients with rheumatoid arthritis, N Engl J Med 2000;343:1520-8.
3. Bresalier R.S., et al., Cardiovascular events associated with rofecoxib in a colorectal adenoma chemoprevention trial. N Engl J Med 2005;352:1092-102.
4. Konstam MA, et al., Cardiovascular thrombotic events in controlled, clinical trials of rofecoxib. Circulation. 2001; 104: 2280-8.
5. Silverstein F.E., et al., Gastrointestinal Toxicity with celecoxib vs. Nonsteroidal anti-inflammatory drugs for osteoarthritis and rheumatoid arthritis. The CLASS study: a randomized controlled trial JAMA 2000, 284, 1247-1255.
6. Solomon S.D., et al., Cardiovascular risk associated with celecoxib in a clinical trial for colorectal adenoma prevention. N Engl J Med 2005;352:1071-80.
7. Schnitzer, T.J., et al., Comparison of lumiracoxib with naproxen and ibuprofen in the Therapeutic Arthritis Research and Gastrointestinal Event Trial (TARGET), reduction in ulcer complications: randomised controlled trial, Lancet 2004; 364: 665-674.
8. Farkouh ME., et al., Comparison of lumiracoxib with naproxen and ibuprofen in the Therapeutic Arthritis Research and Gastrointestinal Event Trial (TARGET), cardiovascular outcomes: randomised controlled trial. Lancet. 2004; 364: 675-84.
9. Nussmeier NA, et al. Complications of the COX-2 inhibitors parecoxib and valdecoxib after cardiac surgery. N Engl J Med 2005;352:1081-91
10. Jüni P et al. Risk of cardiovascular events and rofecoxib: cumulative meta-analysis. Lancet 2004; 364: 2021-9
11. Jüni P et al., COX 2 inhibitors, traditional NSAIDs, and the heart, BMJ. 2005; 330: 1342-3

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