Langzeitwirkung von Pravastatin
Langzeitwirkung von Pravastatin bei normalen Cholesterinwerten. Open Label Follow-up der LIPID Studie.
Titel
Long-term effectiveness and safety of pravastatin in 9014 patients with coronary heart disease and average cholesterol concentrations: the LIPID trial follow-up.
Autoren
The LIPID-Study Group.
Quelle
Lancet 2002 Apr 20;359(9315):1379-87.
Abstract |
Fragestellung
Langzeitwirksamkeit und Sicherheit der Pravastatinbehandlung bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit und normaler Cholesterinkonzentration.
Hintergrund
Die Langzeitinterventionsstudie mit Pravastatin (LIPID) zeigte, dass über einen Zeitraum von sechs Jahren die Mortalität an kardiovaskulären Ereignissen bei vorbestehender KHK und normaler Cholesterinkonzentration deutlich gesenkt werden kann. Die vorliegende Arbeit untersucht den Follow-up über eine Periode von insgesamt acht Jahren betreffend Verhinderung von weiteren kardiovaskulären Ereignissen und der Erfassung der Gesamtmortalität.
Methoden
Eingeschlossen wurden 9’014 Patienten mit St. n. Myokardinfarkt oder instabiler Angina pectoris. Die Cholesterinkonzentration als weiteres Einschlusskriterium lag zwischen 4 und 7 mmol/l. Die Patienten wurden randomisiert, eine Gruppe erhielt 40 mg Pravastatin, die andere Placebo täglich über sechs Jahre. Nach Abschluss dieser Sechs-Jahres-Periode wurde den Patienten offeriert während weiteren zwei Jahren freiwillig Pravastatin zu nehmen. Die kardiovaskulären Ereignisse sowie Nebenwirkungen der Behandlungen wurden in Relation gesetzt zur ursprünglichen Therapie mit Pravastatin oder Placebo.
Studiendesign
Randomisierte, kontrollierte Doppelblindstudie. Die Randomisierungsmethode wurde nicht erwähnt.
Setting
9’014 Patienten aus 87 Zentren in Australien und Neuseeland.
Einschlusskriterien
- Akuter Myokardinfarkt oder
- Diagnose einer Angina pectoris (instabil) über 3 bis 36 Monate bei Spitalentlassung
- Totales Cholesterin zwischen 4 und 7 mmol/l
Ausschlusskriterien
Nicht erwähnt.
Intervention
Doppelblindperiode mit 9’014 Patienten randomisiert in eine Gruppe von 4’512 mit Pravastatin und Diät und 4’502 mit Placebo und Diät. Anschlussphase mit Angebot von Pravastatin für alle Patienten.
Primärer Endpunkt
Tod durch koronare Herzkrankheit.
Sekundäre Endpunkte
Tod durch irgendeine andere Ursache, Tod durch kardiovaskuläre Ereignisse, Tod durch koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt oder Hirnschlag, koronare Revaskularisationsoperation.
Beobachtungsdauer
- Randomisierungsphase: 6 Jahre
- Anschlussphase: 2 Jahre
Resultate
Basisdaten
Die Beobachtungsgruppen wiesen keinen signifikanten Unterschied in bezug auf die relevanten Ausgangsdaten auf. Das Durchschnittsalter betrug in beiden Gruppen 62 Jahre, wobei der Anteil an über 70-jährigen identisch war.
Gruppenvergleich der Endpunkte
Siehe Tabelle 1 (Doppelblindphase) und Tabelle 2 (Anschlussphase)
Benefit während LIPID-Studie und gesamter Beobachtungszeit: Siehe Tabelle 3
Diskussion durch die Autoren
Die relative Risikoreduktion in der Anschlussphase ist vergleichbar mit derjenigen während der Doppelblindphase bezüglich Mortalität, koronare Revaskularisation und Hirnschlag. Es müssen 17 Patienten behandelt werden um in 8 Jahren ein Ereignis zu verhindern (NNT). Somit ist der Benefit über 8 Jahre Follow-up (Doppelblindphase und Anschlussphase) grösser, als in der Sechsjahres-Doppelblindphase alleine. Da beide Gruppen in der Anschlussphase die gleiche Therapie hatten, kann der Gesamt-Benefit nur den ersten 6 Jahren Pravastatintherapie zugeschrieben werden.
Die Wirkung der Behandlung ist signifikant grösser bei längerer Beobachtungszeit als bei mittlerer Beobachtungszeit von fünf Jahren. Insgesamt können für 1’000 behandelte Patienten in 8 Jahren 38 Todesfälle, 30 nicht fatale Myokardinfarkte und 11 Hirnschläge vermieden werden. Damit ist naheliegend, dass der Langzeiteffekt von früheren Cholesterin-Senker wahrscheinlich unterschätzt wurde.
In Ergänzung zur Lipidstudie wurden Subgruppen analysiert und es konnte ein noch grösserer Gewinn gefunden werden bei Frauen, Patienten über 70 Jahren sowie bei Patienten mit Cholesterin unter (!) 5.5 mmol/l.
Zusammenfassender Kommentar
Hatte die Hauptstudie schon relativ gute NNT-Werte, so steht man mit diesen Resultaten geradezu unter (Be-) Handlungszwang. Dass eine Studie mit Abschluss der Studie noch nicht abgeschlossen sein muss, konnten die Autoren überzeugend nachweisen. Die positive Wirkung der Lipidsenkung steigt offenbar mit längerer Beobachtungszeit an. In der Frühphase korreliert ein gewisser Benefit (v.a. für nicht-fatale Ereignisse) mit der Veränderung der Lipidkonzentration (und Plaque-Stabilisation?), später praktisch nur noch mit der Dauer der Statintherapie. Dieser auch in anderen Studien postulierte verzögerte Wirkungseintritt muss gewissermassen als «overhang» nach Studienabschluss nachgewiesen werden können. Dies ist den Autoren gelungen. Wie lange diese Wirkung anhält ist nicht bekannt und müsste über noch längere Beobachtungszeiten dokumentiert werden. In der Praxis ist man inzwischen dazu übergegangen, praktisch alle Patienten mit KHK zwecks Sekundärprävention mit Statinen zu behandeln. Trotz Subgruppenanalysen mit z. t. tieferen NNT-Werten als in der Hauptstudie müsste noch weiter eruiert werden, welche Risikokonstellation vor allem von einer Dauerstatintherapie profitiert. Die neuen AGLA-Richtlinien sind somit schon überholt: In der Sekundärprävention sind Cholesterin-Profil Grenz- und Richtwerte weitgehend überflüssig. Aufgrund der vorliegenden Daten ist man praktisch gezwungen, alle Patienten über mehrere Jahre zu behandeln. Theoretisch ist es möglich, dass später Subgruppen mit spezieller (vorteilhafter) Risikokonstellation eruiert werden können, bei denen auf die Behandlung verzichtet werden kann. Somit muss nun in der Sekundärprävention nicht mehr die Behandlung, sondern der Verzicht auf die Statintherapie begründet werden.
Besprechung von Dr. med. H. Bhend, Aarburg
Lancet 2002 Apr 20;359(9315):1379-87. - The LIPID-Study Group
11.02.2004 - dde