Erhaltungstherapie mit Infliximab bei Morbus Crohn: die ACCENT I-Studie
Eine doppelblinde, placebokontrollierte Studie mit drei Studienarmen zur Wirksamkeit von
Infliximab in der Behandlung von Patienten mit mittelschwer bis schwer aktivem Morbus Crohn.
Titel
Maintenance infliximab for Crohn’s disease: the ACCENT I randomised trial.
Autoren
Hanauer SB, Feagan BG, Lichtenstein GR, Mayer LF, Schreiber S, Colombel JF, Rachmilewitz D, Wolf DC, Olson A, Bao W, Rutgeerts P; ACCENT I Study Group.
Quelle
Lancet 2002 May 4;359(9317):1541-9
Abstract |
Fragestellung
Bringt die Erhaltungstherapie mit intravenösem Infliximab bei Patienten mit mittelschwer bis schwer aktivem Morbus Crohn einen therapeutischen Langzeitnutzen in bezug auf Remission und Einsparung von Kortikoiden? Zeigt die langfristige Gabe von 10 mg/kg/KG mehr Wirksamkeit als die Dosis von 5 mg/kg/KG? Wie lange kann die Zeit bis zum Responseverlust durch eine Erhaltungstherapie hinausgezögert werden?
Hintergrund
Während bei milden Formen von Morbus Crohn 5-Aminosalizylate helfen, sind bei schwereren Formen Kortikosteroide zur Symptomkontrolle notwendig. Trotz der bekannten Nebenwirkungen, vor allem bei Langzeitanwendung, ist ein Therapieabbruch oft mit klinischer Exazerbation verbunden. Vielen betroffenen Patienten werden Purin-Antimetaboliten oder Methotrexat verordnet, welche aber einen langsamen Wirkungsbeginn haben.
Tumor-Nekrose-Faktor a (TNFa) ist ein proinflammatorisches Zytokin, das eine wichtige Rolle in der Pathogenese vom Morbus Crohn spielt. Infliximab, ein biotechnologisch hergestellter Anti-TNFa-Antikörper (bestehend aus humanen und murinen Anteilen) bindet an TNFa mit hoher Affinität und neutralisiert damit die biologische Aktivität. Erste klinische Studien haben gezeigt, dass eine Infliximabeinzelinfusion bei Patienten mit M. Crohn eine Remission induzieren kann. Bisher fehlten Langzeitstudien, welche die Wirkung einer Erhaltungstherapie untersuchten.
Methoden
Studiendesign
Randomisierte, placebokontrollierte Studie mit drei Studienarmen an 55 Zentren in den USA, Europa und Israel durchgeführt. Studienzeitpunkt: 1999 bis 2001.
Setting
573 Patienten mit einem Crohn-Aktivitäts-Index (CDAI) von mindestens 220 erhielten eine intravenöse Infusion von 5 mg/kg/KG Infliximab in der Woche 0 als Basistherapie. Bei Ansprechen dieser Behandlung wurden die Patienten randomisiert und bekamen eine der Interventionen der drei Studienarme. Intention-to-treat Analyse.
Einschlusskriterien
Eingeschlossen wurden Patienten mit einem Crohn-Aktivitäts-Index (CDAI) zwischen 220 und 400, die eine der folgenden Therapien erhielten: 5-Aminosalizylate oder Antibiotika (sofern die Dosis 4 Wochen vor dem Studien-Screening konstant blieb), Kortikoide im Prednisolon-Äquivalent von 40 mg/Tag oder weniger (stabile Dosis über 3 Wochen), Azathioprin und 6-Mercaptopurin (stabile Dosis über 8 Wochen) oder Methotrexat (stabile Dosis über 6 Wochen). Es wurden auch Patienten eingeschlossen, die zum Screening-Zeitpunkt keine Medikamente bekamen und die eine medizinische Therapie mindestens 4 Wochen zuvor abgebrochen hatten.
Ausschlusskriterien
Ausgeschlossen wurden Patienten, welche vorgängig Infliximab oder eine andere Anti-TNF-Substanz erhalten hatten.
Intervention
Patienten, die nach der Woche 2 einen Response auf die intravenöse Infliximabgabe zeigten, wurden eine der drei Behandlungsgruppen zugeordnet:
- Gruppe 1: entweder Placeboinfusionen in den Wochen 2 und 6 und danach alle 8 Wochen bis zur 46. Woche
- Gruppe 2: wiederholte Infusionen von jeweils 5 mg/kg/KG Infliximab zu den gleichen Zeitpunkten
- Gruppe 3: 5 mg/kg/KG Infliximab in der Woche 2 und 6 und anschliessend 10 mg/kg/KG
Primäre und Co-primäre Endpunkte
- Ermittlung des Anteils der Patienten, welche in der Woche 2 auf die Basistherapie ansprachen und in der Woche 30 unter der Therapie in beiden Dosierungen eine Remission (CDAI < 150) zeigten.
- Ermittlung der Zeit bis zum Responseverlust bis zur Woche 54 bei den Patienten, die auf die Therapie initial ansprachen.
Sekundäre Endpunkte
Bestimmung der kortikoidsparenden Effekte, Therapiesicherheit.
Beobachtungsdauer
Februar 1999 bis März 2001: etwa zwei Jahre.
Resultate
Basisdaten
335 (= 58%) Patienten sprachen auf die initiale Einzelinfusion mit Infliximab innerhalb von 2 Wochen an. Das durchschnittliche Alter dieser Patienten betrug 35 Jahre und 61% waren Frauen. Der mittlere Crohn Disease Activity Index CDAI betrug 299.
Gruppenvergleich der Endpunkte
In der Woche 30 waren:
- In der Gruppe 1 (unter Placebo) 23 von 110 Patienten (21%) in Remission
- In der Gruppe 2 (unter 5 mg/kg/KG Infliximab, alle 8 Wochen) 44 von 113 Patienten (39%) in Remission
- In der Gruppe 3 (unter 10 mg/kg/KG Infliximab, alle 8 Wochen ab der 14. Woche) 50 von 112 Patienten (45%) in Remission
Die Patienten der beiden Verumgruppen blieben mit grösserer Wahrscheinlichkeit in Remission als die, die nach der Basistherapie mit Infliximab Placebo erhielten: Odds-Ratio: 2.7 (95% CI, 1.6-4.6).
Innerhalb der 54-wöchigen Beobachtungszeit lag der mittlere Zeitpunkt bis zum Responseverlust in der Placebogruppe bei 19 Wochen. In den Therapiegruppen (Gruppen 2 und 3) hingegen betrug die mittlere Zeitdauer 46 Wochen.
Die Sicherheit entsprach der früherer Untersuchungen bei Patienten mit Morbus Crohn und rheumatoider Arthritis. Die Inzidenz ernster Infektionen war in den Therapiegruppen vergleichbar.
Diskussion durch die Autoren
Die Studie ergab, dass in bezug auf die Remissionserhaltung mehr als doppelt so viele Morbus Crohn-Patienten, von einer Erhaltungstherapie (repetitive Infusion alle 8 Wochen) im Vergleich zu einer Einmalgabe profitieren. Ein Drittel der Patienten konnte die Steroide absetzen. Trotz insgesamt guter Verträglichkeit der Erhaltungstherapie sollte das Nutzen-Risiko-Verhältnis bei Patienten mit hohem Infektionsrisiko vor Beginn einer Infliximabgabe abgewogen werden. Besonders beachtet werden sollte das Risiko für Tuberkulose, da diese unter Infliximab aktiviert werden kann.
Zusammenfassender Kommentar
Infliximab ist ein hochpotenter anti-TNFa-Antikörper, der meist binnen weniger Tage zu klinisch eindrücklichen Remissionen führt. In der vorliegenden Studie kam es bei 58% der Patienten zur Remission, was sich mit den bereits vorliegenden Daten zur Akuttherapie deckt. Die Accent I-Studie liefert nun die Daten zur Erhaltungstherapie mit Infliximab und zeigt, dass repetitive Infusionen eine Remissionserhaltung bewirken können. Der Effekt einer Einzelinfusion hält in der Regel nur für 8 Wochen an. In der Studie konnte gezeigt werden, dass bereits ab der 10. Woche signifikant mehr Patienten in der Dauertherapiegruppe in Remission waren als in der Gruppe mit einmaliger Infliximabinfusion. Allerdings zeigte sich bei den 8-wöchentlich therapierten Patienten ein Wirkungsverlust dieser Therapie über den Zeitraum eines Jahres. Weitere Untersuchungen müssen zeigen, ob diese Abnahme der Effektivität durch die konsequente begleitende immunmodulatorische Therapie mit Azathioprin oder Methotrexat minimiert werden kann.
Ein interessanter Nebenaspekt ist die Entwicklung von Antikörpern gegen Infliximab, die bei Patienten mit repetitiver Infliximabgabe seltener auftrat als bei der einmaligen Gabe. Des weiteren scheint die Antikörperentwicklung bei Patienten mit einer kombinierten Therapie mit Steroiden und Immunsuppressiva weniger vorzukommen. Diese Befunde sind aufgrund des häufigeren Auftretens von Infusionsreaktionen bei Patienten mit Antikörpernachweis von Bedeutung. Ob dieser Sachverhalt jedoch eine wiederholte Infliximabtherapie rechtfertigt, muss in weiteren Studien evaluiert werden.
Die Nebenwirkungen erstreckten sich auf infektiöse Komplikationen und auf Infusionsreaktionen, die bei einem Teil der Patienten zum Abbruch der Therapie führten. Die Bedeutung von Infektionen wird bei zwei Patienten der Studie sichtbar, die an Sepsisfolgen verstarben. Somit sind Infektionen vor der Infliximabtherapie sorgfältig auszuschliessen. Im Zweifelsfall sollte mit weiteren Infliximabinfusionen pausiert werden.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Infliximab auch in der Langzeittherapie effektiver als Placebo ist. In Kenntnis der seltenen, aber zum Teil ernsthaften Nebenwirkungen sind Infektionen vor Infliximabgabe sicher auszuschliessen. Eine Indikation für diese Dauertherapie stellt am ehesten der therapierefraktäre M. Crohn dar.
Bemerkungen zum Studiendesign und Beschreibung
Es wurde nicht bezüglich der begleitenden immunmodulatorischen Therapie randomisiert. Somit konnte keine verbindliche Aussage bezüglich der Kombinationstherapie von Infliximab mit immunmodulatorischen Therapien wie Methotrexat oder Azathioprin gemacht werden.
Leider fehlen die Daten, die ein Gesamtansprechen aller initial in die Studie eingeschlossener Patienten nach einem Jahr Dauertherapie zeigen; dieses dürfte bei ca. 30% liegen.
Besprechung von PD Dr. Frank Seibold, Leitender Arzt, Abt. Gastroenterologie, Inselspital Bern
Lancet 2002 May 4;359(9317):1541-9 - S. B. Hanauer et al
16.02.2004 - dde