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Durchfall bei Antibiotikatherapie: Prävention durch Probiotika?

In einer Meta-Analyse wird die Wirksamkeit von Probiotika bei der Prävention der antibiotika-assoziierten Diarrhoe untersucht.

Titel

Probiotics in prevention of antibiotic associated diarrhoea: meta-analysis.

 

Autoren

D’Souza AL, Rajkumar C, Cooke J, Bulpitt CJ.

 

Quelle

BMJ 2002 Jun 8;324(7350):1361

 

Abstract

 

 

Fragestellung 

Können Probiotika einem antibiotika-assoziierten Durchfall vorbeugen?

 

Hintergrund

Antibiotika-assoziierter Durchfall ist eine verbreitete Nebenwirkung der antibiotischen Therapie und tritt bei 5-30% der Patienten früh im Verlauf der Therapie oder aber bis zu zwei Monaten nach Beendigung der Behandlung auf. Abgesehen von der Definition der Diarrhoe, ist die Häufigkeit abhängig von der Art der eingesetzten Antibiotika und von Eigenschaften des Patienten. Clostridium difficile hat sich als ein Haupterreger der antibiotika-assoziierten Diarrhoe erwiesen. Probiotika sind lebende Mikroorganismen, die das Wachstum von pathogenen Bakterien verhindern und die Darmflora im Gleichgewicht halten sollen. Ihr Vorteil ist weiterhin kaum belegt, da nur wenige Probiotika in randomisierten, placebokontrollierte Studien untersucht wurden. Die Ergebnisse aus kleinen offenen Studien sind widersprüchlich.

 

Methoden

Studiendesign

Meta-Analyse von randomisierten, placebokontrollierten Doppelblindstudien.

 

Literaturrecherche

Für die Meta-Analyse wurde in MEDLINE (1966-2000) und in der Cochrane-Datenbank recherchiert. Als Suchbegriffe wurden verwendet: «probiotics», «biotherapeutic agents», «lactobacilli», «antibiotic associated diarrhoea» und «Clostridium difficile». In MEDLINE wurde die Suche auf Publikationen mit englischen Abstrakts beschränkt. Studien ohne englische Abstrakts wurden zusätzlich aus MEDLINE-Reviews und über die Cochrane-Datenbank identifiziert.

 

Einschlusskriterien
  • Randomisierte, kontrollierte Doppelblindstudie
  • Vergleich von Probiotika vs. Placebo (beide in Kombination mit Antibiotika)
Ausschlusskriterien

(Anzahl ausgeschlossener Studien in Klammer)

  • Einfachblindstudien (3)
  • Letters (2)
  • Fall-Serien (3)
  • Studien zu einer anderen Indikation von Probiotika (3)
  • Studien zur Reise-Diarrhoe (5)
  • Studien zur infektiösen Diarrhoe (12)
  • Studie zur therapeutischen Wirkung bei Clostridium difficile Diarrhoe (1)
Endpunkte
  • Präventive Wirksamkeit: Anzahl Patienten ohne Diarrhoe (1) in jedem Behandlungsarm
  • Grösse des Samples
  • Behandlungsschema (Probiotikumtyp, Dosierung, Behandlungsdauer)

 

Resultate

Basisdaten

Die Literatursuche identifizierte insgesamt 38 Publikationen. In diesen Studien wurden die Probiotika in Kombination mit einem einzigen Antibiotikum oder aber mit mehreren Antibiotika eingesetzt. Die Studien unterscheiden sich stark bezüglich Patientenzahl und Dauer des Follow-up, aber die Patientencharakteristika für die Verum- und Placebogruppen sind in den Studien vergleichbar.

 

Studien

 

 

 

Gruppenvergleich der Endpunkte

Siehe Tabelle 1

 

Validitätsprüfungen

Es wurden verschiedene statistische Tests zur Abklärung eines Publikationsbias durchgeführt. Keiner dieser Tests zeigte einen Publikationsbias auf. Zudem wurden die beiden Subgruppen und die Gesamtgruppe der Studien auf Homogenität geprüft: Diesbezügliche Tests wiesen durchwegs auf Homogenität hin.

 

Diskussion durch die Autoren

Laut Autoren zeigt diese Meta-Analyse, dass Probiotika bei der Prävention von antibiotika-assoziierten Durchfällen wirksam sein könnten. Die Zahl der Studien sei jedoch klein und die unterschiedlichen Antibiotika, die in den Studien eingesetzt wurden, könnten das Risiko eines Durchfalls und dessen Antwort auf Probiotika beeinflusst haben.

 

Die Autoren gehen auf die Frage ein, wie Probiotika den Darm beeinflussen: Um die Probleme der gastrointestinalen Infektion zu bekämpfen, dürfen Probiotika nicht pathogen sein und müssten in einer andern Art gegen die Erreger wirken als die Antibiotika, z.B. indem sie um die Nährstoffe wettstreiten, die die pathogenen Erreger benötigen. Besonders wichtig sei, dass Probiotika ziemlich schnell aktiv werden und die Angriffe von Magensäure, Galle und eingesetzten Antibiotika überleben. Zudem sei wünschenswert, dass sie den Immunprozess stimulieren, um den eindringenden Organismus zu zerstören. Sowohl Hefe (Saccharomyces boulardii) als auch Lactobacilli hätten laut Autoren diese Eigenschaften. Dank leichter Verfügbarkeit, geringer Kosten und verhältnismässig geringen Nebenwirkungen seien die Probiotika möglicherweise eine einfache Lösung in der Prävention von antibiotika-assoziierten Durchfällen. Vorsicht sei hingegen geboten bei Patienten mit Immunschwäche oder lebensbedrohlichen Krankheiten wegen der Gefahr von Fungämie und Sepsis. Ausserdem seien bei Patienten mit Herzklappenproblemen unter Probiotika Endocarditiden beobachtet worden.

 

Kommerziell erhältliche Stämme seien in Kapselform oder in Drinks auf Yoghurtbasis im Handel, aber ihr potentieller klinischer Gewinn bedürfe weiterer Untersuchungen. Insbesondere das Potential spezifischer Probiotika zur Prävention von Clostridium difficile Infektionen unter Antibiotikatherapie sei noch unklar.

 

Zusammenfassender Kommentar

Die vorliegende Meta-Analyse untersucht die Wirksamkeit von Probiotika bei der Prävention von antibiotika-assoziierter Diarrhoe anhand von randomisierten, kontrollierten Studien. Insgesamt weisen die Ergebnisse auf einen deutlichen Vorteil der Probiotika gegenüber dem Placebo hin. Mehrere Punkte schränken jedoch die Aussagekraft dieser Meta-Analyse ein:

  • Die Literaturrecherche war nicht umfassend: Es wurde nur in zwei Datenbanken recherchiert, und es wurde nicht systematisch nach nicht-publizierter Literatur gesucht. Die statistische Überprüfung ergab jedoch keinen Hinweis auf einen möglichen Publikationsbias.
  • Wie die Autoren selber bemerken, fanden sich nur wenige (insgesamt 9) relevante Studien, und diese bieten bezüglich Wahl und Anwendungsschema des Probiotikum sowie der Art der Antibiotikatherapie kaum einheitliche Bedingungen. So ist die spezifische Wirksamkeit einzelner Probiotikastämme hinsichtlich verschiedener Antibiotika wenig belegt. Insbesondere bei den häufigen Infektionen mit Clostridium difficile ist der Gewinn unklar.
  • Ausserdem wurden in der vorliegenden Meta-Analyse die Studien bezüglich ihrer methodischen Qualität nicht gewertet. So ist nicht bekannt, ob die Ergebnisse auch durch qualitativ hochwertige Untersuchungen gestützt werden.

Der letzte Punkt wurde ebenfalls in einem kritischen Kommentar (2) zur Studie angesprochen: Fünf der neun Studien, die in die Meta-Analyse eingegangen sind, seien nicht nach dem Intention-to-treat Prinzip analysiert worden. Zudem sei die grösste Studie, die dadurch bei den gepoolten Daten die stärkste Gewichtung erhalte, besonders zweifelhaft, denn es seien dort nur rund 20% der rekrutierten Patienten in die Analyse einbezogen worden. Die übrigen Studienteilnehmer seien wegen Verletzung des Protokolls ausgeschlossen worden.

 

Probiotika haben aber einige nicht zu unterschätzende Vorteile: Sie sind kostengünstig und leicht zugänglich. Zudem scheinen die Risiken des Probiotikaeinsatzes eher gering, sofern Kontraindikationen wie Immunschwäche und lebensbedrohliche Krankheiten sowie Herzklappenpathologien streng eingehalten werden. In Anbetracht dieser Vorteile erscheint es als sinnvoll, die spezifische Wirksamkeit von Probiotika in Doppelblindstudien weiter abzuklären.

 

 

Besprechung von Dr. med. Michèle Schoep-Chevalley, Münsingen

 

1 Diarrhoe wurde definiert als Änderung der für den Patienten üblichen Stuhlgewohnheiten mit zwei oder mehr dünnen oder wässerigen Stühlen während mindestens zwei Tagen.
2 Beckly J, Lewis S. Probiotics and antibiotic associated diarrhoea. The case for probiotics remains unproved. BMJ 2002;325:901.

BMJ 2002 Jun 8;324(7350):1361 - A. L. D’Souza et al

17.02.2004 - dde

 
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