Budesonid versus Mesalazin
Budesonid und Mesalazin bei Morbus Crohn: Welche Behandlung bringt mehr Lebensqualität?
Titel
Budesonide and Mesalazine in Active Crohn’s Disease: A Comparison of the Effects on Quality of Life.
Autoren
Thomsen O, Cortot A, Jewell D, Wright JP, et al.
Quelle
The American Journal of Gastroenterology 2002;97: 649-53
Abstract |
Fragestellung
Die Studie vergleicht die Wirksamkeit des hauptsächlich topisch wirksamen Kortikosteroidpräparates Budesonid mit dem 5-ASA-Präparat Mesalazin in der Behandlung von Patienten mit leicht bis mässig aktivem Morbus Crohn.
Hintergrund
Der Morbus Crohn ist eine idiopathische Darmentzündung, welche durch einen chronischen, unvorhersehbaren Verlauf mit Wechsel von Exazerbationen und Remissionen gekennzeichnet ist. Zur Prophylaxe von Rezidiven werden, falls notwendig, Mesalazinpräparate und Immunspressiva, z.B. Azathioprin und Methotrexat, eingesetzt. Als Standardtherapie akuter Exazerbationen haben sich seit Jahren Kortikosteroide bewährt. Kortikosteroide sind aber praktisch obligat mit relevanten Nebenwirkungen verbunden, wobei deren Ausmass hauptsächlich von der Therapiedauer und der erforderlichen Dosierung abhängt. Das vorwiegend topisch wirksame Kortikosteroid Budesonid hingegen hat wesentlich weniger systemische Nebenwirkungen und besitzt trotzdem eine dokumentierte Wirkung in der Behandlung eines reaktivierten Morbus Crohn. Allerdings ist Budesonid im Vergleich zu den konventionellen Steroiden etwas weniger wirksam. Alternativ können leichtere Schübe von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa aber auch mit den praktisch nebenwirkungsfreien 5-ASA-Präparaten, z.B. Mesalazin, behandelt werden. Die vorliegende Studie vergleicht die Wirksamkeit dieser beiden nebenwirkungsarmen Zweitwahlpräparate, Budesonid und Mesalazin, in der Behandlung leichter oder mittelstarker Exazerbationen des Morbus Crohn miteinander.
Methoden
Studiendesign
Europäisch-südafrikanische, prospektive, randomisierte, doppelblinde Multizenterstudie.
Setting
Ambulant behandelte Patienten mit Morbus Crohn, rekrutiert aus 5 europäischen und 2 südafrikanischen Zentren.
Einschlusskriterien
Es wurden prospektiv Patienten im Alter über 18 Jahren, welche unter einem vorgängig bestätigten Morbus Crohn mit Befall im terminalen Ileum, in der Ileocoecalregion oder mit begleitendem Colon ascendens leiden, in die Studie aufgenommen. Bei Einschluss musste eine leichte oder mässig starke Krankheitsaktivität, definiert als Crohn’s Disease Activity Index (CDAI) zwischen 200 und 400, vorliegen.
Ausschlusskriterien
Patienten in Remission oder solche mit schweren Exazerbationen sowie Patienten mit komplikationsbelasteten Verläufen wurden ausgeschlossen.
Intervention
Nach Randomisierung wurden die Patienten prospektiv, doppelblind, mittels Doppeldummy-Methode, entweder mit Budesonid (1 x 9 mg täglich) oder Mesalazin (2 x 2 g täglich) behandelt. Mit Ausnahme von Loperamid und Opiaten waren während der Studiendauer keine anderen Crohn-aktiven Medikamente erlaubt.
Endpunkte
Die Krankheitsaktivität wurde während der 16-wöchigen Studiendauer insgesamt sechsmal – bei Studienbeginn, in den Wochen 2, 4, 8, 12 und bei Studienende – mit Hilfe der drei folgenden Instrumente erfasst:
- Psychological-General-Well-Being Index (PGWB), eine Selbst-Deklarations-Skala mit 22 Fragen zu Angst, Stimmungslage, allgemeinem Gesundheitsgefühl, Wohlbefinden und Vitalität
- Physican’s Global Evaluation (PGE), eine vom Untersucher erfassten Global-Graduierung des Gesundheitszustandes
- Crohn’s Disease Activity Index (CDAI), ein etablierter Score mit Registrierung von anamnestischen, klinischen und labormässigen Parametern
Beobachtungsdauer
Während einer Dauer von insgesamt 16 Wochen wurden die Patienten sechsmal untersucht.
Resultate
Basisdaten
Es wurden insgesamt 182 Patienten in die Studie eingeschlossen, 93 wurden mit Budesonid, 89 mit Mesalazin behandelt. Die beiden Gruppen unterschieden sich bei Studienbeginn weder in bezug auf Geschlecht, Alter, Krankheitsaktivität (gemessen mit PGWB, PGE, CDAI), Dauer der Erkrankung noch Befallsmuster des Morbus Crohn signifikant voneinander.
Siehe Tabelle 1
Gruppenvergleich der Endpunkte
In der Budesonidgruppe beendeten 77 Patienten (83%), in der Mesalazingruppe 50 (56%) die Studie. Studienabbruch infolge Verschlechterung des Morbus Crohn war in der Budesonidgruppe (mit 11%) wesentlich seltener als in der Mesalazingruppe (mit 30%).
Insgesamt zeigten alle drei Parameter – PGWB, PGE, CDAI – während der Behandlungsdauer in beiden Medikamentengruppen eine signifikante Besserung, wobei das Ausmass in der Budesonidgruppe im Vergleich zur Mesalazingruppe signifikant grösser war.
Diskussion durch die Autoren
Die Autoren schliessen aus ihren Daten, dass sowohl Budesonid als auch Mesalazin in der Therapie leicht bis mässig aktiver Exazerbationen eines Morbus Crohn wirksam sind. Sie erachten aber die Überlegenheit von Budesonid sowie dessen rascheren Wirkungseintritt gegenüber Mesalazin (Zahlen nicht präsentiert) als klinisch relevant.
Zusammenfassender Kommentar
Akute Exazerbationen eines Morbus Crohn werden mit einer Vielzahl von Medikamenten, teils als Monotherapie, teils in Kombination von mehreren Medikamenten behandelt. Konventionelle Kortikosteroide, modifizierte Steroide, Antibiotika, Mesalazin sowie TNFa-Blocker sind die gebräuchlichsten Substanzen. Die konventionellen Kortikosteroide gelten mit Remissionsraten von 60 bis 80% trotz den vielen neueren Substanzen immer noch als Eckpfeiler der Akuttherapie. Limitiert wird ihr Einsatz allerdings durch ihre Nebenwirkungen sowie durch das Auftreten von Steroidabhängigkeit und Steroidresistenz.
Die oben beschriebene Arbeit hat nun zwei nebenwirkungsarme Präparate, welche beide bereits in früheren, placebokontrollierten Studien eine Wirkung in der Akuttherapie des Morbus Crohn bewiesen haben, miteinander verglichen. Die Studie ist aus zwei Gründen diskussionswürdig:
- Zum Ersten ist ihre Fragestellung von klinischer Relevanz und praktischer Bedeutung im Umgang mit Crohn-Patienten, da Alternativen zu den konventionellen Kortikosteroiden häufig dringend nötig sind.
- Zum Zweiten ist in diesem Zusammenhang bedeutsam, dass die Wirksamkeit der Prüfsubstanzen nicht nur anhand des etablierten und weitgehend Untersucherunabhängigen CDAI erfasst wurde, sondern, weil zusätzlich ein Patienten- und ein Untersucher-zentrierter subjektiver Score angewandt wurden. Diese subjektiven Komponenten sind erfahrungsgemäss in der Therapie von IBD-Patienten ebenfalls wichtig und müssen beim Festlegen und Modifizieren eines Therapieplans mitberücksichtigt werden.
Könnte man nun, als Schlussfolgerung dieser Studie, Budesonid generell als Erstwahlpräparat bei der Behandlung von Exazerbationen eines Morbus Crohn bezeichnen und Mesalazin hingegen vergessen? Weder die erste, noch die zweite Schlussfolgerung wären korrekt! Frühere Vergleichsstudien von Budesonid mit den konventionellen Kortikosteroiden haben nämlich gezeigt, dass das wesentlich billigere Prednison in der Therapie eines reaktivierten Morbus Crohn die wirkungsvolle Substanz ist. Schwere und mittelschwere Schübe werden somit nach wie vor am besten primär mit konventionellen Kortikosteroiden behandelt. Leichte und allenfalls mittelschwere Exazerbationen hingegen lassen therapeutischen Spielraum zu. Sie dürfen, als Konsequenz dieser Studie, primär mit dem etwas weniger wirksamen, dafür aber auch nebenwirkungsärmeren Budesonid behandelt werden. Bei unbefriedigendem Ansprechen auf dieses modifizierte Kortikosteroid könnte man, trotz des etwas schlechteren Abschneidens in dieser Studie, einen Versuch mit Mesalazin in ausreichend hoher Dosierung unternehmen, da diese Substanz ihre Wirksamkeit ja ebenfalls unter Beweis gestellt hat. Beim Versagen beider Präparate darf man sich aber auch daran erinnern, dass die zusätzliche Gabe eines Antibiotikums, z. B. Ciprofloxazin, Metronidazol, oftmals zur Induktion einer Remission führen kann, ohne dass man direkt auf die konventionellen Kortikosteroide zurückgreifen muss.
Bemerkungen zum Studiendesign und Beschreibung
Die Autoren unterlassen es, sich zur Verträglichkeit der beiden Präparate zu äussern. Ungefähr zwei Drittel der Drop-Outs waren Folge einer Verschlechterung des Morbus Crohn trotz Studientherapie. Ob die restlichen Studienabbrüche Folge einer schlechten Verträglichkeit der Medikamente waren, oder ob andere Gründe zum Abbruch führten, wird nicht erklärt.
Besprechung von Dr. med. Alex Straumann, Chairman IBDnet.ch, 4600 Olten
The American Journal of Gastroenterology 2002;97: 649-53 - O. Thomsen et al
16.02.2004 - dde