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Aspirin + Clopidogrel für Patienten mit ST-Strecken-Hebungs-Infarkt

Die Clarity-TIMI-28 Studie

Titel

Addition of clopidogrel to aspirin and fibrinolytic therapy for myocardial infarction with ST-segment elevation.

 

Autoren

Sabatine MS, Cannon CP, Gibson CM, Lopez-Sendon JL, Montalescot G, Theroux P, Claeys MJ, Cools F, Hill KA, Skene AM, McCabe CH, Braunwald E; CLARITYTIMI 28 Investigators.

 

Quelle

N Engl J Med. 2005 Mar 24;352(12):1179-89. Epub 2005 Mar 9.

 

Abstract

 

Fragestellung 

Kann bei Patienten mit ST-Strecken-Hebungs-Infarkt (STEMI), die mit einer Fibrinolyse behandelt werden, die Gabe von Clopidogrel zusätzlich zur Standardtherapie (ASS, eventl. Heparin) dazu beitragen, dass die Reperfusionsrate zunimmt und das wiedereröffnete Infarktgefäss offen bleibt und somit Komplikationen verhindert werden?

 

Hintergrund

Die frühe und andauernde Reperfusion verschlossener Koronargefässe mit Fibrinolytika, Antikoagulanzien und ASS ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Behandlung eines STEMI. Doch auch nach einer solchen Behandlung weisen noch immer 30% der Patienten okkludierte Gefässe auf. Dies wiederum erhöht die Langzeitmortalität der Betroffenen etwa auf das Doppelte. Es besteht also noch immer Handlungsbedarf.

 

Dass die Plättchenaggregationshemmer bei Patienten mit ACS und Infarkten ohne ST-Streckenhebung (NSTEMI) die Ereignisrate vermindern, konnte in der CURE-Studie bereits gezeigt werden.

 

Methoden

Studiendesign

Die CLARITY-TIMI-28-Studie (Clopidogrel as Adjunctive Reperfusion Therapy-Thrombolysis in Myocardial Infarction Study 28) ist eine randomisierte placebokontrollierte Doppelblindstudie mit rund 3’500 Patienten. Sie vergleicht ASS plus Clopidogrel mit ASS allein bei Patienten mit STEMI als Zusatz zur fibrinolytischen Therapie.

 

Setting

3’491 Patienten unter 75 Jahren mit STEMI durch 319 Zentren in 23 Ländern.

 

Einschlusskriterien

Patienten (18-75 Jahre) mit STEMI (EKG), ischämische Symptome nicht > 6 h zurückliegend, Beschwerden mindestens 20 Min. anhaltend, Randomisation innerhalb 12 h.

 

Ausschlusskriterien

Vorbehandlung mit Clopidogrel, geplante Behandlung mit Clopidogrel, Einsatz von GPIIb/IIIa-Antagonisten vor Koronarangiografie, Kontraindikationen für Fibrinolyse, geplante Koronarangiografie innerhalb 48 h ohne neue klinische Indikation, kardiogener Schock, vorgesehene ACB, Heparin in einer Dossierung höher als die übliche Standarddosierung.

 

Intervention

Patienten mit STEMI, die innerhalb von 12 h nach dem Schmerzbeginn randomisiert werden konnten, erhielten Clopidogrel oder Placebo. Alle Patienten erhielten eine Fibrinolyse (Tenecteplase, Reteplase, Alteplase, Streptokinase), ASS und wenn möglich auch Heparin. Eine Koronarangiografie wurde (wenn durchgeführt) auf 48 bis 192 h nach dem Beginn der Behandlung angesetzt. Patienten ohne Koronarangiografie erhielten die Medikamente bis zur Entlassung oder 8 Tage.

 

Primäre Endpunkte

Der primäre Endpunkt der Studie war ein «Composite » aus einer (noch oder schon wieder) verschlossenen Koronarie (TIMI Grad O oder 1), Tod oder Infarktrezidiv vor der Koronarographie. Der primäre Endpunkt für die Sicherheit war die Rate von schweren Blutungen.

 

Beobachtungsdauer
  • Bis zur Koronarangiografie: median 3.5 Tage (2-8 Tage), bei Patienten ohne Koronarografie:
  • Bis zur Entlassung oder am 8. Tag (kontrollierter Teil)
  • 75 mg Clopidogrel während 30 Tagen für alle Teilnehmer (offener Teil)

 

Resultate

Basisdaten

3’491 Patienten (< 75 Jahren) mit STEMI. Es bestand eine gleichmässige Verteilung zwischen den Behandlungsgruppen bezüglich vorgängiger Interventionen, zusätzlicher Risikofaktoren und Begleitmedikationen.

 

Gruppenvergleich der Endpunkte

3’283 Patienten (94%) erhielten eine Koronarangiografie. Die Ergebnisse der Studie waren erfreulich: Die zusätzliche Therapie mit Clopidogrel konnte den primären Endpunkt – ein noch oder schon wieder verschlossenes Gefäss, Tod oder ein Infarktrezidiv – von 21,7% auf 15,0% senken, was einer absoluten Reduktion um 6,7% und einer hochsignifikanten relativen Risikoreduktion von 36% (95% CI, 24-47%); p < 0.001) bedeutet. Zudem reduzierte Clopidogrel die Rate an klinischen Ereignissen wie kardiovaskulärer Tod, Infarktrezidiv oder Notfallrevaskularisierung nach 30 Tage signifikant um 20% (11,6 vs.14,1%; p = 0.03). Die TIMI-Flussparameter verbesserten sich ebenfalls signifikant um 36% (p < 0.001). Die Blutungsrate, der primäre Endpunkt für die Sicherheit, war bei Clopidogrel nicht erhöht. Diese Rate lag bei beiden Therapien zwischen 1% und 2%. Nicht gesenkt wurde der wichtigste Endpunkt: die Mortalität.

 

Abbildung 1: Ereignisrate

 

 

 

Abbildung 2: Sicherheit von Clopidogrel

 

 

Diskussion durch die Autoren

Mit dem additiven Therapieregime wurde der wichtigste Enpunkt, die Mortalität nicht beeinflusst.
Die Mortalität war in beiden Gruppen mit 2.2% und 2.6% nicht verschieden (unabhängig von Geschlecht, Alter, Art der Fibrinolytika oder der Auswahl des Heparins). Somit auch ungewöhnlich niedriger als in den meisten Studien zur Fibrinolyse des Herzinfarktes. Die Kommentatoren vermuten, dass in der Studie ein hoch-selektiertes Krankengut behandelt wurde. Sie stellen deshalb in Frage, ob die Ergebnisse auf andere Patienten ausserhalb der Einschlusskriterien übertragbar sind, was wohl auch die Diskussion um den Stellenwert der Studie in der Zukunft bestimmen dürfte.

 

Zusammenfassender Kommentar

Diese Ergebnisse wiederspiegeln die ersten grösseren Fortschritte seit mehr als einem Jahrzehnt. Der letzte grosse Fortschritt in diese Richtung war die ISIS-2-Studie (1988). Sie hat gezeigt, dass die 35-Tages-Mortalität von 10.5% unter alleiniger Fibrinolyse auf 8% gesenkt werden kann, wenn die Patienten zusätzlich ASS erhalten. ASS ist ein relativ schwacher Thrombozyten-Aggregationshemmer und bis zu 30% der Patienten haben eine relative ASS-Resistenz. Grosse Hoffnungen waren in den Folgejahren in die GPIIb/IIIa-Antagonisten gesetzt worden, die wesentlich stärker sind als ASS, aber auch das Blutungsrisiko erhöhen.

 

In dieser Studie konnte gezeigt werden, dass der Zusatz von Clopidogrel die Ergebnisse der Fibrinolyse beim STEMI verbessert. Clopidogrel ist zwar als Thrombozyten-Inhibitor schwächer als die GPIIb/IIIa-Antagonisten, aber offenbar in der Gratwanderung zwischen offen halten der Koronarie und Blutungsrisiko eine gangbare Lösung – und das zu einem deutlich geringeren Preis (NNT 16).

 

In beiden Gruppen war die 30-Tage-Sterberate mit < 3% für Infarktpatienten ungewöhnlich niedrig. Die Studie lässt zudem keine Aussage über den Nutzen einer Clopidogrel Zusatztherapie bei Patienten im hohem Alter unter Standarddosis Heparin oder bei ACB zu.

 

Bestätigt wurden auch diese Ergebnisse durch die COMMIT/CCS 2 Studie wo 45’000 Patienten mit Herzinfarkt oder Verdacht auf Herzinfarkt innerhalb 24 h zur Standardtherapie 75 mg Clopidogrel oder Placebo erhielten. Die kombinierte Rate von Tod, Reinfarkt oder Schlaganfall im Monat danach war mit 9.3% im Vergleich zum Standard mit 10.1% verringert (Relative Reduktion 9% p = 0.002). Auch hier keine erhöhte Blutungsrate. Das bedeutet pro 1 Mio. Herzinfarktpatienten, die zwei Wochen lang Clopidogrel einnehmen, verhindert man 5’000 Todesfälle und 5’000 nicht-tödliche Zwischenfälle.

 

Fazit: Clopidogrel bietet zusätzlich zu Aspirin eine effektive, einfache, kostengünstige und sichere Therapie, um das wiedereröffnete Infarktgefäss offen zu halten und ischämische Komplikationen zu verhindern.

 

Besprechung von Dr. med. B. Nazan Walpoth, Klinik und Poliklinik für Kardiologie, Departement Herz und Gefässe, Universitätsklinik Inselspital, Bern.

N Engl J Med. 2005 Mar 24;352(12):1179-89 - Sabatine MS et al. - MS Sabatine et al

27.09.2005 - undefined

 
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