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Anti-IgE bei Erdnussallergie

Wirkung auf die tolerierbare Exposition.

Titel

Effect of anti-IgE therapy in patients with peanut allergy.

 

Autoren

Leung DY, Sampson HA, Yunginger JW, Burks AW Jr, Schneider LC, Wortel CH, Davis FM, Hyun JD, Shanahan WR Jr; Avon Longitudinal Study of Parents and Children Study Team.

 

Quelle

N Engl J Med 2003 Mar 13;348(11):986-93

 

Abstract

 

 

Fragestellung 

Ist ein anti-IgE-Antikörper hilfreich in der Verhinderung von Erdnuss-induzierten anaphylaktischen Reaktionen?

 

Hintergrund

Die Erdnussallergie ist eine IgE-vermittelte Erkrankung, welche in Amerika alleine 1.5 Mio. Personen betrifft und ca. 50-100 Todesfälle verursacht. Ausserhalb von Amerika ist diese Erkrankung wegen geringerem Gebrauch von Erdnuss und Erdnussbutter seltener. TNX-901 ist ein humanisierter monoclonaler IgG1-Antikörper gegen IgE, der mit der gleichen Stelle des IgE-Moleküls reagiert (CH3 Region), welche für die Bindung für den hochaffinen FcIgE-Rezeptor auf Mastzellen und Basophilen verantwortlich ist. Somit besteht eine Kompetition zwischen dem TNX-901 Antikörper und dem FcIgE-Rezeptoren. Bekanntermassen wird durch Vernetzung der FcIgE-Rezeptoren auf Mastzellen oder Basophilen eine Degranulation bewirkt mit Freisetzung vasoaktiver Stoffe (Histamin, Prostaglandine, Leukotriene, Zytokine), welche schlussendlich für die klinischen Symptome verantwortlich sind (Vasodilatation, Hypotonie, Bronchokonstriktion, Urtikaria und Ödembildung).

 

Methoden

Es handelt sich um eine doppelblinde, randomisierte Dosisfindungsstudie aus 7 Zentren. 84 Patienten mit einer typischen Anamnese einer Sofortreaktion auf Erdnuss wurden eingeschlossen. Diese Allergie wurde bestätigt durch Hautteste, Serologie und vor allem durch stufenweise Provokationstestung (doppeltgeblindet, placebokontrolliert). Die Erdnuss-allergischen Patienten wurden in einer Ratio von drei zu eins entweder mit TNX-901 in einer Dosis von 150, 300 oder 450 mg behandelt oder mittels Placebo: Die Behandlung bestand in subkutaner Injektion der entsprechenden Dosis, alle 4 Wochen, insgesamt 4 Mal. 2-4 Wochen nach der letzten Dosis wurden die Patienten wiederum mit stufenweise gesteigerten Erdnussdosen provoziert.

 

Einschlusskriterien

Die Patienten durften einen IgE-Spiegel zwischen 300 und 1’000 U/ml aufweisen, ihr Asthma musste unter guter Kontrolle sein mit dem FEV1 von mindestens 80% des errechneten Wertes. Kortikosteroide, Betablocker und Acetylcholinesterase-Inhibitoren waren generell verboten, während Aspirin, Antihistaminika und Antidepressiva vor der Hauttestung, bzw. dem oralen Nahrungsmittelprovokationstest verboten waren.

 

Bewertung der Effektivität

Die Provokationsteste wurden mit Gelkapseln durchgeführt, welche 1 mg bis max. 2 g entfettetes Erdnusspulver enthielten. Die Placebokapseln enthielten Stärke. Alle Kapseln wurden in Thunfischöl gerollt vor der Gabe, um den Erdnussgeschmack zu überdecken.

 

Die doppelblinde, placebokontrollierte Nahrungsmittelprovokation wurde für 2 Tage innerhalb einer 5 Tage Periode durchgeführt. Die Patienten unterzogen sich zunächst einer Spirometrie, erhielten einen intravenösen Zugang und wurden an einen Monitor angeschlossen. PEF wurden alle 30 Minuten bestimmt. Die Dosen wurden alle 40 Minuten erhöht bis eine Reaktion eintrat. Die Art der Reaktion wurde vom Untersucher verifiziert. Da Erdnussallergien höchst gefährlich ablaufen können, wurde bereits bei Initialsymptomen einer allergischen Reaktion die weitere Dosierung gestoppt. Zunächst wurde 1 mg, gefolgt von 5, 10, 20, 50, 100, 200, 500, 1’000 und 2’000 mg des Pulvers, bzw. des Placebos verabreicht. Patienten, welche über 2’000 mg tolerierten, wurden als negativ und nicht geeignet für die Studie und wahrscheinlich als nicht-allergisch angesehen.

 

Resultate

Von 164 untersuchten Patienten erfüllten 84 die Einschlusskriterien. 81 davon beendeten die Studie. 2 Patienten hatten auch eine Reaktion auf das Placebo.

 

Die Provokationsteste wurden relativ gut vertragen und rasch terminiert, indem Adrenalin, Bronchodilatatoren, Antihistaminika, Kortikosteroide je nach Bedarf eingesetzt wurden. Ausserdem erhielten die Patienten nach der letzten Dosis Kohletabletten, um das restliche Allergen im Magendarmtrakt zu absorbieren. Nur ein Patient benötigte eine Hospitalisation für eine Nacht wegen Hypotension.

 

Die Nahrungsmittelsymptome äusserten sich als Übelkeit, Bauchschmerzen, Erbrechen, Engegefühl im Thorax oder Hals, «wheezing», Husten, Rhinitis, Konjunktivitis, Juckreiz, Urtikaria und Angioödeme. Die vier Gruppen (23 Patienten mit Placebo, 19 behandelt mit 150 mg TNX-901, 19 mit 300 mg TNX-901, 21 mit 450 mg TNX-901) wiesen eine Schwelldosis zwischen 177 und 435 mg Erdnussmehl zu Beginn der Studie auf. In allen Gruppen stieg diese Schwelldosis an, wobei der schwächste Anstieg in der Placebogruppe (auf eine Durchschnittsmenge von ca. 1'000 mg Erdnuss), gefolgt von 150 mg TNX-901 (auf ca. 1'400 mg), 300 mg TNX-901 (auf ca. 2'000 mg) und der stärkste in der 450 mg TNX-901 Gruppe bestand (auf ca. 2'900 mg). Signifikant war der Unterschied nur bei der 450 mg TMX-901 Dosis.

 

Wurden die Daten unterteilt in Anzahl Patienten, die nach der Behandlung auch die höchste Dosis (8 g) Erdnusspulver vertrugen, erreichten 4% der Placebopatienten diese Dosis, nur 0% der 150 mg TNX-901 Gruppe, 21% der 300 mg TNX-901 Gruppe und 24% für die 450 mg TNX-901 Gruppe. Die Wirksamkeit dieser zunehmenden Toleranz von höheren Erdnussmengen korrelierte signifikant mit der Menge verabreichten anti-IgE-Antikörper. Jedoch fand sich keine Korrelation zum spezifischen IgE im Serum.

 

Die TNX-901 Dosen erreichten ein steady state Status nach 12 Wochen. Wie in früheren Anti-IgE-Studien konnte eine starke Verminderung des Gesamt-IgE’s festgestellt werden.

 

Sicherheit

Die Verabreichung von TNX-901 wurde gut toleriert. Einige Patienten klagten über ein Erythem bei der Injektionsstelle. Blutwerte und Urinwerte waren unverändert.

 

Diskussion

Da es fast unmöglich ist, epidemiologische Studien zur Reduktion einer Erdnussanaphylaxie durchzuführen, wurde ein Studiendesign gewählt, welches darauf zielte, durch die Therapie erhöhte Mengen von Erdnusspulver zu tolerieren. Als Endpunkt wurde deshalb eine Provokation gewählt mit gestaffelter Dosis des Erdnusspulvers. Diese Art der Provokation ist auf der einen Seite gut dokumentiert, hat jedoch immer noch potenzielle Fehlerquellen, vor allem, da einige der Symptome sehr subjektiv sind. Leider konnten keine objektiven Parameter (Serumhistamin, Tryptase) erfasst werden, da entweder nicht verändert oder schwierig zu messen. Die Tatsache jedoch, dass in der Placebogruppe eine ähnliche Dosis zu Symptomen geführt hat wie zu Beginn, unterstreicht, dass die gewählte Methode verlässlich genug ist.

 

Faktisch zeigt die Studie, dass bei einer Vorbehandlung mit anti-IgE-Antikörper, manche allergische Patienten statt nur einer nun 8 Erdnüsse essen können. So what? Das Problem ist jedoch anderer Art: Erdnuss ist ein verstecktes Allergen, und nicht wenige Todesfälle sind auf die zufällige Einnahme von Lebensmitteln zurückzuführen, die undeklariert auch Erdnuss enthielten. Man nimmt an, dass diese zufällige Exposition 1-2 Erdnüssen entspricht (entsprechen 325-650 mg Erdnusspulver). Mit der 300 mg und 450 mg TNX-901 Behandlung wurde ein Schwellwert von 2’083, bew. 2’805 mg erreicht, was ca. 6-8 Erdnüssen entspricht. In der Tat, 21% der Patienten in der 300 mg Gruppe und 24% der Patienten in der 450 mg Gruppe tolerierten sogar 8 g des Pulvers, was 24 Erdnüssen entspricht, ohne Reaktion.

 

Die Autoren weisen darauf hin, dass keine sichere Massnahme zum Schutz dieser vielen Patienten mit Erdnussallergien besteht. Die Verabreichung des IgE-Antikörpers führte zu einer Toleranz von so hohen Mengen von Erdnussmehl, dass versteckte Allergenmengen kein Problem mehr darstellen sollten.

 

Zusammenfassender Kommentar

Nahrungsmittelallergien mit anaphylaktischem, bzw. letalem Ausgang stellen ein grosses Problem dar. Auch in der Schweiz sind Nahrungsmittelallergien zweit- bis dritthäufigste Ursache von anaphylaktischen Reaktionen (neben Insektengift bzw. Medikamentenallergien). Neben Sesam gehören Erdnüsse zu denjenigen Nahrungsmitteln, die oft bereits in geringsten Dosierungen schwere Reaktionen auslösen können: Bereits 100 mg (1/4 Erdnuss) reichen manchmal schon aus, die meisten Patienten reagieren auf 1-2 mg Dosen. Da sehr viele Speisen durch Erdnussprotein z.T. kontaminiert sind (wobei diese Kontaminationen so gering sind, dass sie mit den üblichen Methoden der Nahrungsmittelindustrie nicht nachweisbar sind), ist das Problem der versteckten Nahrungsmittelallergene ein reelles: Neben Massnahmen in der Produktion von Nahrungsmitteln wären Massnahmen, die höchstgefährdete Patienten schützen könnten, sicherlich willkommen.

 

Die hier vorgestellte Studie mit einem neuen anti-IgE-Antikörper ist vielversprechend: Der anti-IgE-Antikörper hat wahrscheinlich eine höhere Affinität als der in verschiedenen Asthma- und Rhinitisstudien eingesetzte E-25 Antikörper von Novartis. Leider ist jedoch die Affinität des TNX-901 für IgE nicht genau angegeben und man muss annehmen, dass er immer noch bedeutend unter der Affinität des IgE für den natürlichen Liganden, den hochaffinen FcIgE Rezeptor, liegt. Dies erklärt, warum man doch sehr hohe Dosen des Antikörpers einsetzten muss, um eine Effektivität zu erreichen. Dies wird den Einsatz sicherlich nicht billig machen. Es wäre interessant gewesen, zu sehen, ob unter TNX-901 Therapie auch die Hautteste auf Erdnuss vermindert waren. Auch sollte nicht übersehen werden, dass einige Patienten trotz Vorbehandlung mit 450 mg TNX immer noch nicht 0.5 g Erdnusspulver tolerierten (ca. 24%). Und es sei auf eine frühere Studie von H. Sampson hingewiesen, die gezeigt hat, dass fast alle Kinder, die an einer Erdnussanaphylaxie starben, ein ungenügend kontrolliertes Asthma hatten. Darauf kann bereits jetzt mit den verfügbaren therapeutischen Massnahmen geachtet werden.

 

Besprechung von Prof. Werner J. Pichler, Allergologie, Inselspital, Bern.

 

N Engl J Med 2003 Mar 13;348(11):986-93 - D. Y. Leung et al

20.02.2004 - dde

 
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