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Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen: Spannungsfeld zwischen Hausarzt und Spezialisten.

Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind chronisch-rezidivierende, leider immer noch unheilbare Darmentzündungen, welche Hausärzte und Gastroenterologen in Zukunft noch vermehrt beschäftigen werden. Ein erster Grund dafür ist die Tatsache, dass beide Affektionen in den letzten Jahrzehnten in den industrialisierten Ländern massiv an Häufigkeit zugenommen haben. Ein zweiter Grund liegt darin, dass in jüngster Zeit wirkungsvolle, aber leider aufwändige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.

 

Obwohl die Pathogenese der beiden Entzündungen über weite Strecken noch nicht geklärt ist, hat sich doch als Grundprinzip durchgesetzt, dass die chronisch perpetuierende Entzündung das Resultat einer «inadäquaten Reaktion des mukosalen Immunsystems auf eine physiologische Darmflora» darstellt. Welche Faktoren aber letztlich die unangepasste Reaktionsweise des intestinalen Immunsystems induzieren, ist noch unbekannt.

 

Sowohl epidemiologische als auch genomische Studien haben gezeigt, dass für beide Entitäten eine vererbbare Prädisposition wichtig ist. So haben zum Beispiel direkte Angehörige von Colitis- und Crohn-Patienten gegenüber der Normalbevölkerung ein 4- bis 20-fach erhöhtes Risiko, ebenfalls an einer chronischen Darmentzündung zu erkranken. Tatsächlich ist es vor kurzer Zeit gelungen, ein erstes «Prädispositions-Gen» für Morbus Crohn auf dem Chromosom 16 zu lokalisieren. Eindeutig ist aber auch, dass die genetische Prädisposition allein nicht ausreicht, sondern dass zusätzlich exogene Faktoren nötig sind, um eine Entzündung zu induzieren und zu unterhalten.

 

Trotz vieler Gemeinsamkeiten besitzen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa eine unterschiedliche Immunopathogenese. Beim Morbus Crohn handelt es sich um eine Entzündung vom TH1-Typ. Hier «orchestrieren» T-Lymphozyten die entzündlichen Vorgänge, welche als Botenstoffe hauptsächlich Interferon sezernieren und eng mit Makrophagen zusammenarbeiten. Der Einfluss bakterieller Komponenten spielt hier eine wichtige Rolle. Dass beim Morbus Crohn seit langem nach bakteriell-infektiösen «Triggern» gesucht wird, ist vor diesem Hintergrund gut verständlich.

 

Die Colitis ulcerosa hingegen weist viele Charakteristika einer TH2-Entzündungsreaktion auf. Die hier involvierten T-Zellen exprimieren hauptsächlich IL-4, IL-5 und IL-13, also Interleukine, welche allergische Entzündungen regulieren. Dies erklärt, weshalb bei der Colitis ulcerosa hartnäckig nach allergischen Auslösern gesucht wird.


Neue Therapiefragen: in welchem ärztlichen Kontext?

In den letzten Jahren haben sich die Therapiemöglichkeiten sowohl für den Morbus Crohn als auch für die Colitis ulcerosa erfreulich erweitert. Zusätzlich zu den seit Jahren etablierten Kortikosteroiden und 5-Aminosalyzilaten werden Antibiotika, Immunsuppressiva (z.B. Azathioprin, Methotrexat, Ciclosporin) und Immunmodulatoren (z.B. Infliximab, Natalizumab, CDP 571) eingesetzt. Diese Medikamente werden teils als Monotherapie, teils in verschiedenartigen Kombinationen miteinander verwendet. Mehrere dieser Substanzen haben bereits bewiesen, dass sie den Patienten einen substanziellen Gewinn an Lebensqualität bringen und zudem die Notwendigkeit von Hospitalisationen und von Operationen reduzieren. Die langfristigen Nebenwirkungen dieser teils noch sehr «jungen» Medikamente sind aber noch weitgehend unbekannt.

 

Die nun seit kurzem zur Verfügung stehende und sich laufend erweiternde, therapeutische Vielfalt, gerade in Zusammenhang mit der zunehmenden Häufigkeit von Colitis ulcerosa und Morbus Crohn, werfen die Frage auf, wer denn zur Zeit befugt und kompetent ist, Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen zu behandeln. Ist es der Hausarzt? Ist es der Gastroenterologe? Oder ist es sogar nur noch der im IBD-Gebiet speziell engagierte Gastroenterologe?


Auf diese Frage lässt sich zur Zeit keine abschliessende Antwort geben. Trotzdem könnte man aber allgemein postulieren, dass Patienten mit Colitis ulcerosa und Morbus Crohn, welche eine problembehaftete Kortikosteroidtherapie, (z.B. häufiger Steroideinsatz, Steroidresistenz, Steroidabhängigkeit, Zeichen eines Hyperkortizismus) entwickeln, sowie Patienten, welche eine Immunsuppression oder eine Immunmodulation benötigen, angesichts der Komplexität dieser Behandlungen von einer spezialärztlichen Betreuung durch den Gastroenterologen profitieren. Da sich wahrscheinlich zudem nicht jeder Gastroenterologe mit den Belangen immunmodulierender Therapien auseinandersetzen will, wird sich sogar innerhalb dieser Spezialistengruppe noch eine gewisse Schwerpunkttätigkeit herauskristallisieren. Problemlos behandelbare Crohn- und Colitis-Patienten hingegen – und das ist doch noch die Mehrzahl – können aber zweifellos auch heute noch in der hausärztlichen Praxis gut betreut werden.

 

Dr.med. Alex Straumann, MD, Gastroenterology FMH, Chairman IBDnet.ch, Römerstrasse 7, 4600 Olten

 



 
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