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Hepatitis C: Behandlungsmöglichkeiten

Schon 1986, also 3 Jahre vor der Entdeckung des Erregers, wurden erste Ergebnisse von Behandlungsstudien mit rekombinantem Interferon alpha (IFNα) bei Patienten mit chronischer non-A-non-B-Hepatitis publiziert. Nachdem das Hepatitis-C-Virus (HCV) 1989 kloniert war, wurde bald klar, dass fast alle Fälle einer sogenannten non-A-non-B-Hepatitis durch HCV verursacht werden. Leider waren die Ergebnisse der IFNα-Monotherapie eher bescheiden. Eine 6-monatige Therapie bestehend aus ein- bis zweitäglich verabreichten subkutanen Injektionen von 3 bis 5 Millionen internationalen Einheiten rekombinantem IFNα2 führte in 6-12% der Patienten zu einer Heilung, und auch eine Verlängerung der Therapiedauer auf 12 Monate erzielte nur gerade 16-20% «sustained responses» (Definition der therapeutischen Antwort siehe folgende Abbildung):

 

Schematische Darstellung der verschiedenen Gruppen von Therapieantworten. Die gestrichelte schwarze Linie entspricht der Detektionslimite der heutigen, hochempfindlichen Nachweismethoden für HCV-RNA im Blut (15 IU/ml). Von einem «non response» spricht man, wenn die HCV RNA unter der Therapie nachweisbar bleibt. Dabei kann noch zwischen Patienten unterschieden werden, deren HCV-RNA-Wert überhaupt nicht beeinflusst wird durch die Therapie (blau) und solchen, die zwar einen Abfall des HCV-RNA-Wertes zeigen, dieser aber immer über der Test-Nachweisgrenze positiv bleibt (rot). Falls die HCV-RNA während der Therapie unter die Test-Nachweisgrenze abfällt, aber nach Therapieende wieder nachweisbar wird, spricht man von einem «relapse» (gelb). Patienten, die auch 6 Monate nach Therapieende immer noch keine nachweisbare HCV-RNA haben, sind nach heutigem Wissensstand geheilt. Man spricht dabei von einem «sustained response». Dabei kann noch zwischen Patienten unterschieden werden, deren HCV-RNA-Wert schon nach den ersten 4 Behandlungswochen negativ ist (early virological response, EVR, violett) und solchen, die erst später HCV-RNA-negativ werden (grün).

 

Ein eigentlicher Durchbruch in der Behandlung war dann die Kombination von IFNα mit Ribavirin in der zweiten Hälfte der 90er Jahre. Eine 12-monatige Kombinationsbehandlung vermochte die Heilungsrate auf 35-40% zu verbessern. Ribavirin wurde in den 70er Jahren als Guanosin-Analog synthetisiert und bald darauf wurde seine breite Wirksamkeit gegen viele DNA- und RNA-Viren erkannt. Anfangs der 90er Jahre wurde es deshalb auch zur Therapie der chronischen Hepatitis C evaluiert, war aber leider als Monotherapie wirkungslos. Erst in der Kombination mit IFNα zeigte es eine erstaunliche Wirksamkeit. Interessanterweise ist bis heute unklar geblieben, wie genau Ribavirin gegen HCV wirkt. Die nächste deutliche Verbesserung der Behandlung kam dann um die Jahrtausendwende mit der Einführung von pegyliertem rekombinantem IFNα. Die pegylierten Interferone zeichnen sich durch eine lange Halbwertszeit aus und müssen nur noch einmal wöchentlich appliziert werden. Die Kombination von pegIFNα mit Ribavirin wird heute abhängig vom HCV Genotyp 6 bis 12 Monate verabreicht und erzielt Heilungsraten von um die 50%.

 

Therapieindikation

Die Mehrheit der Patienten mit chronischer Hepatitis C entwickelt keine der gefürchteten Langzeitkomplikationen wie Leberzirrhose oder hepatozelluläres Karzinom. All diese Patienten brauchen also eigentlich keine Therapie. Ein wichtiges Ziel der Abklärungen bei Patienten mit chronischer Hepatitis C ist deshalb die Bestimmung des Krankheitsstadiums, vor allem des Fibrosestadiums der Leber. Die Standarduntersuchung zur Gradierung der entzündlichen Aktivität und der Leberfibrose ist und bleibt die Leberbiopsie. Es gibt zwar eine Reihe von sogenannten nicht-invasiven Fibrosetests, welche durch Bestimmung von verschiedenen Parametern aus dem Blut eine Aussage über das Fibrosestadium der Leber erlauben, doch ist die Genauigkeit dieser Tests vor allem für die wichtige Unterscheidung von minimaler (= keine Therapie) von mässiggradiger Fibrose (= Therapie empfohlen) ungenügend. Neuerdings findet auch die Elastizitätsmessung der Leber mit dem Fibroscan-Gerät zunehmende Verbreitung. Durch die Messung der Fortbewegungsgeschwindigkeit einer Vibrationswelle im Leberparenchym wird dabei die Lebersteifigkeit berechnet (die Einheit dieser Messung ist das kPa, also eine Druckeinheit). Die bisherigen Veröffentlichungen dokumentieren eine gute Korrelation von Fibroscan-Werten mit den histologisch bestimmten Fibrosestadien, und es ist möglich, dass diese Messung in Zukunft einen festen Platz in der Abklärung und Betreuung von Patienten mit chronischer Hepatitis C hat. Zur Zeit sollte aber in der Regel zumindest einmal eine Leberbiopsie gemacht werden. Patienten mit mässiggradiger bis schwerer Fibrose (mit eingeschlossen Patienten mit Zirrhose) sollten wenn möglich behandelt werden. Patienten mit leichtergradiger Fibrose brauchen keine Behandlung, sollten aber regelmässig nachkontrolliert werden.

 

Grundvoraussetzung für eine Therapie sind der Nachweis von HCV-Antikörpern und von HCV-RNA im Blut. Eine Behandlung wird nicht empfohlen bei dekompensierter Leberzirrhose, schwerer, nicht kontrollierter psychiatrischer Komorbidität und bei schweren hämatologischen Zytopenien. Erhöhte Transaminasen sind keine Voraussetzung, da auch Patienten mit normalen Transaminasen (seltenerweise) einen progredienten Verlauf bis zur Zirrhose erleiden können.

 

Die heutige Standardtherapie

Die heutige Standardtherapie wird mit pegylierten Interferonen in Kombination mit Ribavirin durchgeführt. In der Schweiz gibt es zwei Präparate-Kombinationen, Pegasys (pegyliertes Interferon alpha 2a) plus Copegus (Ribavirin) und PegIntron (pegyliertes Interferon alpha 2b) plus Rebetol (Ribavirin). Die Präparate unterscheiden sich leicht in ihrer Anwendung, sind aber wahrscheinlich gleichwertig. Die Medikamente werden bei Genotyp 2 und 3 für 6 Monate eingesetzt, und erzielen in dieser Gruppe eine Heilungsrate von über 80%. Bei Genotyp-1-Infektionen sollte die Therapie bei initialem Ansprechen für insgesamt 12 Monate durchgeführt werden. Nach 12 Therapiewochen soll das initiale Ansprechen mittels Bestimmung des HCV-«viral loads» untersucht werden. Zeigt sich in dieser Untersuchung eine Reduktion des prätherapeutischen «viral loads» um mehr als Faktor 100 (2 log10 drop), spricht man von einem virologischen Ansprechen. Hier sollte die Therapie konsequent für weitere 9 Monate durchgeführt werden. Fehlt dieses initiale Ansprechen, dann sollte die Therapie abgebrochen werden, weil die Heilungschancen zu klein sind.

 

Die Therapie mit pegylierten Interferonen und Ribavirin hat beträchtliche Nebenwirkungen. Neben ungefährlichen Nebenwirkungen wie Myalgien, Arthralgien, Fieber, Müdigkeit, Leistungsabfall, Schlafstörungen, Kopfschmerzen und Reizbarkeit gibt es regelmässig ein Abfall der Erythrozyten, Leukozyten und Thrombozyten, welcher auch gefährliche Ausmasse erreichen kann. Die Patienten müssen deshalb während der Therapie sorgfältig überwacht werden. All diese Nebenwirkungen sind in der Regel nach Ende der Therapie reversibel. Sie zwingen manchmal zur Reduktion der Medikamentendosis, selten auch einmal zum Abbruch der Therapie. Bedrohlich können psychische Nebenwirkungen wie Depressionen (bis zum Suizid) und Psychosen sein, die gehäuft bei Patienten beobachtet werden, die in der persönlichen Anamnese mit psychischen Leiden belastet sind. Leider gibt es auch irreversible Nebenwirkungen, wie z.B. eine permanente Schilddrüsenfunktionsstörung oder ein Ausfall sämtlicher Körperhaare, die glücklicherweise selten sind.

 

Neuere Therapiekonzepte mit pegIFNα und Ribavirin

In den letzten Jahren wurde in mehreren Studien untersucht, ob eine weitere Individualisierung der Behandlungsintensität und Behandlungsdauer zu besseren Ergebnissen oder einem besseren Kosten-Nutzen-Verhältnis führen kann. Dabei gibt es sowohl Verlängerungen und Intensivierungen der Therapie bei Patienten mit dem schwierig zu behandelnden Genotyp 1 oder bei Patienten mit hohem initialem «viral load», als auch Verkürzungen der Behandlung und Reduktion der Ribavirindosis bei Patienten mit Genotyp 2 und 3 oder bei Patienten mit tiefem initialem «viral load» und einem sehr guten Ansprechen auf die Therapie (early virological response).

 

Möglicherweise werden die heute akzeptierten Standardbehandlungsschemata in naher Zukunft von solchen individualisierten Behandlungen abgelöst.

 

Therapie bei speziellen Patientengruppen

Patienten mit normalen Transaminasen

Patienten mit normalen Transaminasen können ebenso erfolgreich behandelt werden wie Patienten mit erhöhten Transaminasen. Da sie aber in der Regel einen benignen Verlauf der chronischen Hepatitis C haben, ist eine Therapie häufig nicht notwendig. Es gilt, die Patienten individuell abzuklären, und unter Einbezug von Motivation, Genotyp, histologischer Aktivität und Fibrosestadium eine differenzierte Indikationsstellung durchzuführen.

 

Patienten mit Zirrhose

Patienten mit kompensierter Zirrhose, die eine Behandlung tolerieren können, sollten behandelt werden, um einen weiteren Verlust von funktionellem Lebergewebe zu verhindern. Patienten mit fortgeschrittener oder gar dekompensierter Zirrhose sollten nicht behandelt werden, weil die Gefahr eines therapieinduzierten Leberversagens zu gross ist. Diese Patienten sollten zu weiteren Abklärung an ein hepatologisches Zentrum geschickt werden.

 

Patienten mit relapse oder non-response nach früheren Behandlungen

Bei Patienten, die nur mit einer IFNα-Monotherapie behandelt wurden, lohnt sich eine erneute Behandlung mit pegIFNα plus Ribavirin. Dies trifft nicht zu für Patienten, die schon einmal erfolglos mit einer Kombinationsbehandlung therapiert wurden. Eine erneute Behandlung mit der heutigen Standardtherapie (pegIFNα plus Ribavirin) erreicht nämlich enttäuschend tiefe Heilungsraten von unter 10%. Für diese Patientengruppe werden in den nächsten Jahren verschiedene neue Therapien im Rahmen von Studien evaluiert werden. Sie sollten deshalb an ein hepatologisches Zentrum überwiesen werden.

 

Patienten mit akuter Hepatitis C

Die Neuansteckung mit HCV verläuft bei den meisten Patienten asymptomatisch und wird deshalb nicht diagnostiziert. Die akute Hepatitis C wird deshalb entweder in den (seltenen) symptomatischen Patienten entdeckt, oder aber per Zufall bei Abklärungen von erhöhten Leberwerten oder bei regelmässigen Blutspendern. Patienten mit akuter Hepatitis C können sehr erfolgreich (sustained response rate >90%) mit einer (peg)IFNα-Monotherapie behandelt werden. Zeitpunkt des Behandlungsbeginns und Dauer sowie Art der Behandlung sind gegenwärtig noch Gegenstand von Forschung und Kontroversen.

 

Patienten mit aktivem Opiatabusus oder Alkoholabusus

Patienten mit aktivem Opiatabusus können durchaus erfolgreich behandelt werden, vor allem wenn die Behandlung im Rahmen eines Methadonabgabeprogramms oder eines Heroinabgabeprogramms stattfindet. Alkoholiker sollten aber während der Behandlung auf Alkoholkonsum so gut wie möglich verzichten, weil der fortgesetzte Alkoholkonsum den Behandlungserfolg signifikant schmälert.

 

Patienten mit Hämophilie

Patienten mit Hämophilie können gleich behandelt werden wie andere Patienten mit chronischer Hepatitis C.

 

Kinder

Für Kinder gelten an sich die gleichen Regeln der Abklärung und Therapie wie für Erwachsene. Es gilt allerdings zu bedenken, dass die chronische Hepatitis C bei Kindern und Jugendlichen in der Regel wenig progredient verläuft, und dass die Nebenwirkungen der Therapie doch eine erhebliche physische und psychische Belastung für diese Patienten bedeuten kann. Kinder unter 3 Jahren sollten nicht behandelt werden.

 

Patienten mit Niereninsuffizienz

Ribavirin ist wegen der Gefahr einer toxischen Akkumulation eigentlich kontraindiziert bei Patienten mit Niereninsuffizienz. Die Monotherapie mit pegIFNα ist aber leider wenig wirksam, und es werden deshalb gegenwärtig Studien durchgeführt mit niedrig dosiertem Ribavirin in Kombination mit reduzierten Dosen von pegIFNα. Diese Patienten sollten nur an hepatologischen Zentren behandelt werden. Patienten mit einer Nierentransplantation sollten wegen der Gefahr der Abstossung der Niere nicht mit (peg)IFNα behandelt werden.

 

Patienten mit HIV-Infekt

Alle HIV-positiven Patienten sollten auf HBV und HCV untersucht werden. Die chronische Hepatitis C kann bei koinfizierten Patienten mit der heutigen Standardtherapie (pegIFNα plus Ribavirin) behandelt werden, allerdings liegen die «sustained response rates» durchwegs etwa 10-15 % tiefer als bei Patienten, die eine HCV-Monoinfektion haben. Es gibt deshalb Ansätze, diese koinfizierten Patienten länger zu behandeln.

 

Patienten mit Lebertransplantation

Im Gegensatz zur Situation bei den nierentransplantierten Patienten ist die Kombinationstherapie (pegIFNα plus Ribavirin) bei Patienten mit Lebertransplantation nicht mit einem signifikant erhöhten Risiko einer Abstossung behaftet. Allerdings wird die Therapie aus anderen Gründen von dieser Patientengruppe häufig schlecht vertragen, was zu häufigen Dosisreduktionen und vorzeitigen Therapieabbrüchen führt, mit entsprechend unbefriedigenden Behandlungsresultaten. Da bei Patienten, die wegen einer chronischen Hepatitis-C-Zirrhose transplantiert wurden, in aller Regel ein Reinfekt der transplantierten Leber stattfindet, und dieser Reinfekt leider recht häufig rasch progredient abläuft, sollten diese Patienten trotzdem individuell bezüglich der Vor- und Nachteile einer Therapie sorgfältig abgeklärt werden.

 

Neue Medikamente

In den nächsten Jahren werden voraussichtlich ein halbes bis ein ganzes Dutzend neue Medikamente vorerst in klinischen Studien und dann wohl in der ärztlichen Praxis in der Schweiz erhältlich werden. Diese neuen Medikamente wirken gegen wichtige virale Enzyme wie die HCV-Protease oder die HCV-Polymerase. In den bisherigen Studien zeigte sich eine teilweise sehr eindrucksvolle Wirksamkeit bei guter Verträglichkeit, aber leider auch eine sehr rasche Resistenzentwicklung der Viren. Es ist vorläufig damit zu rechnen, dass diese Medikamente in Kombination mit pegIFNα eingesetzt werden. Patienten mit ausgesprochener IFNα-Unverträglichkeit werden möglicherweise deshalb nicht von dieser neuen Generation von antiviralen Medikamenten profitieren können.

 

Zusammenfassung

Die chronische Hepatitis C ist eine häufige Leberkrankheit. Sie betrifft schätzungsweise 1% der Bevölkerung. Die heutige Therapie mit pegyliertem Interferon und Ribavirin ist wirksam, aber auch mit beträchtlichen Nebenwirkungen belastet. Es gilt deshalb, die Indikation zur Therapie sorgfältig abzuwägen und mit den Patienten zu besprechen. Die Leberbiopsie gibt Auskunft über das Stadium der Fibrose der Leber. Patienten mit gutartigen Verlaufsformen der chronischen Hepatitis C, d.h. mit fehlender oder minimaler Fibrosierung der Leber nach längerem Verlauf, brauchen keine Therapie. Patienten mit einem aggressiven, progredienten Verlauf sollten hingegen wenn immer möglich behandelt werden, um die Entstehung einer Zirrhose und eines hepatozellulären Karzinoms zu verhindern. Während der Therapie ist eine sorgfältige Überwachung von potentiell gefährlichen Nebenwirkungen und eine Begleitung der Patienten in einer häufig auch psychisch belastenden Periode zwingend notwendig.

 

Prof. Dr. med. Markus Heim, Leiter Hepatologie, Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie, Universitätsspital Basel

 

 
Medizinspektrum
 
15.11.2006 - dde
 




 
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