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Impfungen im 3. Jahrtausend: Information tut Not!

Die Medizin hat in den letzten 200 Jahren grosse Fortschritte gemacht. Die grossen Fortschritte betreffen insbesondere die Infektionskrankheiten. Unser verbessertes Verständnis der Pathogenese, die verbesserten hygienischen Bedingungen sowie die antibiotischen Therapien haben die führenden Todesursachen des vorletzten Jahrhunderts in Vergessenheit gerückt. Die Einführung der Impfungen war für einen grossen Teil der medizinischen Fortschritte verantwortlich. Hygiene und Impfungen führten sogar über die Grenzen der Industrienationen hinaus zu einer deutlichen Verbesserung der Gesundheit. Kinderkrankheiten, gegen welche wir heute impfen, sind bei uns mit all ihren Komplikationen und Spätfolgen in Vergessenheit geraten. So wurde in den letzten beiden Jahrzehnten immer mehr über mögliche Nachteile von Impfungen gesprochen. In unserer Bevölkerung besteht heute eine grosse Unsicherheit bezüglich dem Nutzen und potentiellen Schaden von Impfungen. Bereits 1897 gab es Impfgegner. Auch damals schon entwickelten Impfgegner aus barer Phantasie die abstrusesten Ideen, wie zum Beispiel die Befürchtung, wonach man nach Impfung mit Kuhpocken selbst zum Rind werde. Nun die Impfgegner sind aktiv und ihre Argumente fallen auf fruchtbaren Boden. Unsere Aufgabe als Ärzte ist es, die Bevölkerung aufzuklären, offen zu informieren, positive Signale zu setzen und Bedenken auszuräumen. Angesichts der zunehmenden Masernepidemien ist es unsere Aufgabe in der Impfinformation aktiver zu werden. Häufig genannte Ängste der Eltern, welche von Impfgegner geschürt werden, sollen hier besprochen werden.

 

Impfungen sollen die Allergieanfälligkeit erhöhen

Diese Angst gründet auf der Beobachtung, dass diejenigen Kleinkinder, die weniger Pathogenen ausgesetzt sind, häufiger Atopien entwickeln. Doch die Angst, dass die Vermeidung einzelner Infektionskrankheiten durch Impfungen diesbezüglich eine Rolle spielt ist unbegründet.  Das Problem mit der Atopie ist eine Verschiebung des Immunsystems zu einer vermehrten Th2-Antwort und diese entsteht, wenn das Kind einem zu kleinen mikrobiellen Druck ausgesetzt wird. Dieser mikrobielle Druck entfällt durch übermässige Hygiene und durch frühe antibiotische Therapien, welche die gastrointestinale Flora verändern. Impfungen bei Kindern modulieren weder die gastrointestinale Flora, noch verhindern sie die mehrmals jährlichen Infekte der oberen Luftwege durch die Unzahl von respiratorischen Viren, welche zu einer starken Th1-Immunantwort führen und somit vor Atopien schützen. Eine andere Frage, welche häufig diskutiert wird ist, ob aluminiumhaltige Impfungen zu einer erhöhten Th2-Antwort führen und auf diesem Wege zu vermehrter Atopie. Hier gibt es mehrere Studien, welche das widerlegen (De Stefano et al PIDJ 2002; Nilsson et al  Arch Ped Adol Med 1998-2003). Eine Impfung verschlimmert eine Allergie bei Atopikern nicht. Natürlich gibt es allergische Reaktionen auf gewisse Komponenten in den Impfstoffen wie z.B. Gelatine, Eiweiss oder Neomycin. Dennoch können Patienten mit Allergien sicher geimpft werden, vorausgesetzt sie haben keine Anaphylaxie auf Eier, und auch sonst nie eine Anaphylaxie durchgemacht. Wenn man ganz sicher gehen will, kann man Allergikern für 48 Stunden auch ein Antihistaminikum geben, damit sollten auch leichte Reaktionen unterbunden werden.

 

Impfungen sollen Autoimmunkrankheiten auslösen

Impfgegner postulieren, dass ein molekulares Mimikry (Ähnlichkeiten von Impfkomponenten mit körpereigenen Substanzen) dazu führe, dass es zu einer Fehlleitung des Immunsystems kommen könne. Bei der Häufigkeit des molekularen Mimikry in der Natur, sollte es eigentlich viel mehr zu Autoimmunen Erkrankungen kommen, und dem ist nicht so! Denn das molekulare Mimikry alleine führt nur zu einer Induktion von autoreaktiven Lymphozyten. Diese Induktion ist aber nur kurz anhaltend und vermag nicht eine autoimmune Erkrankung auszulösen. Dazu bräuchte es dann noch weitere Faktoren, wie z.B. eine Umgehung des Autokontrollmechanismus der T- und B-Lymphozyten, und weitere Aktivierungen durch Cytokine. Keine Studie konnte bisher einen Zusammenhang mit autoimmunen Erkrankungen und Impfungen belegen (Wraith et al ; Lancet 2003;362;1659).

 

Impfungen sollen einen Diabetes mellitus erhöhen

Die Autoimmunreaktion, welche zum Diabetes mellitus Typ 1 führt, wird vermutlich durch exogene Infektionen ausgelöst. So wurde postuliert, dass auch Impfungen eine solche Autoimmunreaktion auslösen könnten. Dieses Argument wurde kürzlich durch eine umfassende Studie im NEJM (A. Hviid et al Volume 350:1398-1404) klar entkräftet. Die Studie hat 740'000 Kindern während 4.7 Mio. Personenjahren beobachtet und hatte damit eine ausreichende Power um einen Zusammenhang zwischen Diabetes und Schutzimpfungen im Kindesalter endgültig auszuschliessen.

 

Hepatitis-B-Impfung soll Multiple Sklerose auslösen

Nach Einzelfall-Berichten, wonach eine Multiple Sklerose kurz nach Hepatitis-B-Impfung auftrat, kam es zur Hypothese, dass die Hepatitis-B-Impfung ein auslösender Faktor sein könnte. Mittlerweile gibt es dazu viele gute epidemiologische Studien, welche den Einfluss der Hepatitis-B-Impfung auf die Inzidenz der MS untersuchten und keine Kausalität feststellen konnten (Ascherio et al; NEJM 2001; 344:327-332; Confavreux et al; NEJM 2001; 344:319-326). Dennoch hält sich das Gerücht standhaft. Ein Metaanalyse zeigt ebenfalls, dass es sogar wichtig ist, MS-Patienten mit Impfungen gegen verhütbare infektiöse Erkrankungen zu schützen, da sie im Falle einer Erkrankung einen Schub durchmachen können (O. Rutschmann et al; Neurology 2002; 59(12):1837-43).

 

MMR-Impfung soll Autismus auslösen

Auch hierzu wurde kürzlich eine grosse epidemiologische Studie veröffentlicht, wonach dieses Argument klar entkräftet wurde, da der Prozentsatz der autistischen Kinder in der geimpften Population, wie auch in der nicht geimpften Population, gleich hoch war (Meldgaard Madsen et al NEJM 2002; 347:1477). Natürlich sind Eltern epidemiologischen Erklärungen nicht zugänglich, denn sie wollen nur das Beste für ihre Kinder, und natürlich wollen sie ihren Kindern auf keinen Fall schaden! Und genau hier haben es die Impfgegner leichter, denn welche Eltern wollen schon mit einer Impfung ihrem Kind aktiv Schaden zufügen. Wenn das Kind durch die Krankheit Schaden davonträgt, dann ist man wenigstens nicht selbst Schuld. Unsere Aufgabe ist es die Eltern gut zu informieren. Wir müssen ihnen klar aufzeigen, wie viel Schaden die Impfkampagnen verhindern, und wieviel wahrscheinlicher es ist z.B. an einer Masern-Enzephalitis zu erkranken, als eine Enzephalitis auf MMR-Impfung zu bekommen. Auch das Argument, dass bei uns diese Krankheiten selten sind, und somit auch nicht geimpfte Kinder daran nicht erkranken, stimmt so nicht mehr, denn wenn die Herdenimmunität immer kleiner wird, so kommen die Krankheiten wieder vermehrt zurück! Das Problem dabei ist, dass die Teilweiseimmunität die Chance solcher kleiner Epidemien senkt und somit das Erkrankungsalter steigt. Da die meisten Kinderkrankheiten jedoch generell im Adoleszenten- und Erwachsenenalter schwerer und komplikationsreicher verlaufen, gefährdet die unvollständige Impfung einer Population die nicht geimpften jungen Erwachsenen besonders stark. Exzellente, gut fundierte Informationen über die neuesten Entwicklungen im Impfsektor und über Probleme mit Impfungen finden sich im InfoVac Bulletin, welches von einer Gruppe sehr engagierter Pädiater herausgegeben wird (www.infovac.ch). Zudem finden Sie auch weitergehende Informationen auf www.infekt.ch. Was es braucht, um der subtil geführten Propaganda der Impfgegner zu begegnen ist eine entschlossenes Auftreten der Ärzteschaft. Wir Ärzte müssen wieder beginnen engagiert über die Impfungen zu sprechen, über die Krankheiten, die wir nicht mehr kennen keine Zweifel zulassen und dezidiert hinter den wichtigsten Impfkampagnen stehen. Nur so haben wir eine Chance, die gefährlichen Folgen der Anti-Impfbewegung zu vermeiden.

 

 

Dr. med. Katia Boggian, Oberärztin mbF, FB Infektiologie und Spitalhygiene, Kantonsspital St.Gallen.



 
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