Senologie – ein facettenreiches Gebiet
Einführung
In den letzten 30 Jahren ist die weibliche Brust zunehmend ins Zentrum des medizinischen Interesses gerückt. Dieses Interesse fokussiert stark auf maligne und prämaligne Veränderungen, obwohl in einer senologischen Sprechstunde die gutartigen Mammabefunde bei weitem dominieren. Mit dem vermehrten Einsatz von bildgebendem Verfahren wird dieser Fokus auf Malignität noch verstärkt.
Durch eine entsprechende Berichterstattung in den Medien sind auch die Frauen heute bezüglich ihrer Mammae aufmerksamer geworden und melden sich bei unklaren Erscheinungen im Brustbereich umgehend in der Sprechstunde. So werden niedergelassene Ärztinnen und Ärzte des öfteren mit senologischen Problemen konfrontiert, die primär nichts mit malignen oder prämalignen Veränderungen zu tun haben.
Selbstverständlich müssen aber alle Erscheinungen im Bereiche der Mammae, auch wenn sie als gutartig imponieren, unter dem Aspekt einer potentiell malignen Erkrankung evaluiert werden.
Diagnostik
Bei der Diagnostik senologischer Probleme ist die sorgfältige Erhebung einer exakten Anamnese das Wichtigste. Entsprechend sollte man sich für die Befragung der Umstände, unter denen eine Frau auf ein Brustproblem aufmerksam wurde, genügend Zeit lassen. Oftmals ist bereits aufgrund der Schilderung klar, um was es sich handelt.
Die klinische Brustuntersuchung soll mit der Inspektion an der sitzenden oder stehenden Patientin beginnen. Dabei lässt die Patientin die Arme zunächst hängen und hebt sie dann langsam hoch bis über Schulterhöhe. Bei diesem Armelevationsmanöver ist auf Einziehungen an der Brust zu achten respektive auf eine unterschiedliche, nicht symmetrische Verschiebung der Mammae auf der Thoraxwand.
Die Palpation soll sowohl an der sitzenden als auch an der liegenden Patientin durchgeführt werden und sollte nebst den 4 Quadranten und dem Zentrum der Brust auch die Thoraxwand kranial der Mamma am Brustansatz miterfassen. Das Abtasten der Lymphknoten-Stationen supraklavikulär und axillär geschieht am einfachsten ebenfalls an der sitzenden Patientin. Zur klinischen Untersuchung gehört schliesslich noch die Prüfung des Mamillensekretes durch sanftes Auspressen der Brustwarzen von der Seite her.
Je nach den beklagten Beschwerden, dem von der Patientin beobachtetem Problem und den Befunden bei der klinischen Untersuchung werden zusätzliche diagnostische Mittel eingesetzt, allem voran eine Bildgebung mittels Mamma-Sonographie und/oder Mammographie.
Bei einem eindeutigen Tastbefund ist eine Feinnadelpunktion zur zytologischen Beurteilung der Resistenz indiziert. Eine Bildgebung mittels Magnetresonanz-Tomographie oder eine Galaktographie sind selten indizierte Spezialuntersuchungen. Die Abklatschzytologie eines Mamillensekretes ist vor allem bei blutiger oder wässerig-seröser Sekretion aus einem einzelnen Milchgang angezeigt.
Mastodynie
Zu den häufigsten senologischen Problemen gehört die Mastodynie. Bei jüngeren Frauen oft beidseitig und zyklisch, in der Regel prämenstruell auftretend, stellt sie eigentlich ein physiologisches Geschehen dar, kann aber durch die Intensität und/oder die lange Dauer der Beschwerden während mehr als einer Woche vor der Menstruation ein solcher Störfaktor werden, dass Frauen deswegen ihren Arzt aufsuchen und eine Behandlung wünschen. Oft kommt in dieser Phase auch ein Anschwellen und Knotigwerden der Brust hinzu, was eine Frau zusätzlich ängstigen kann.
Solche Mastodynien sind nicht leicht zu behandeln, da sie ja Ausdruck für ein regelrechtes, physiologisches Geschehen im Rahmen des hormonellen Zyklus sind. Das Wichtigste ist, die Patientin zu beruhigen, ihr die hormonellen Zusammenhänge zu erklären und zu versichern, dass kein abnormes Geschehen vorliegt. Sollte die Patientin dennoch eine Behandlung wünschen, kann als einfachste Massnahme der Verzicht resp. die Reduktion von koffeinhaltigen Getränken empfohlen werden, was zwar eine kleine Umstellung in der Lebensführung bedeutet, aber einen guten Effekt hat.
Als weitere einfache Therapie kann eine gestagenhaltige Crème, lokal appliziert, versucht werden. Es stehen auch verschiedene pflanzliche oder homöopathische Präparate als Therapeutika zur Verfügung. Da diese aber mit unterschiedlichem Erfolg eingesetzt werden, kann keine Linderung der Mastodynie garantiert werden.
Gelegentlich sind die Beschwerden so stark, dass sogar Ovulationshemmer eingesetzt werden müssen, mit der Überlegung, dass vor allem die körpereigenen Hormone im Zyklus zur Mastodynie führen und diese beim Einsatz von Ovulationshemmern supprimiert resp. deutlich vermindert produziert werden. Mit Eintreten der Menopause wird die zyklische, beidseitige Mastodynie mit der Zeit verschwinden. Zu beachten ist aber, dass mit Einsatz einer Hormonsubstitutionstherapie wieder eine Mastodynie auftreten kann.
Ein anderes Problem ist der einseitige und oft nicht-zyklische Brustschmerz. Frauen, die darüber klagen, müssen speziell befragt werden zu ihrer beruflichen Tätigkeit, zu sportlichen Aktivitäten, zur Händigkeit und zu den Umständen bei oder nach denen die Mastodynie aufgetreten ist. Vor allem bei Frauen mittleren und älteren Alters ist an Schmerzen muskulo-skelettalen Ursprungs zu denken. Eine entsprechende Schmerzmedikation kann in solchen Fällen innert kurzer Zeit zu Beschwerdefreiheit führen.
Bei jüngeren Frauen ist an eine einseitige Zystenbildung in der Brust zu denken und durch eine gezielte Ultraschall-Untersuchung zu evaluieren. Eine Zystenpunktion ist aber in der Regel nicht notwendig, da sich Mammazysten mit hoher Wahrscheinlichkeit von selber zurückbilden.
Oft wird trotz aller Sorgfalt und diagnostischem Eifer die Ursache einer Mastodynie unbekannt bleiben. In diesen Situationen ist es das Wichtigste, der Patientin zu versichern, dass nach gründlicher Untersuchung und nach bestem Wissen und Gewissen keine malignen Veränderungen, die für die Schmerzen ursächlich verantwortlich sein könnten, vorliegen. Eine klinische Verlaufsbeobachtung und evtl. das Führen eines Beschwerden- und Schmerzkalenders werden empfohlen.
Tastbefunde
Die Palpation der Brust ist keine einfache Angelegenheit und erfordert etwas Übung. Vor allem die Beurteilung bezüglich Unebenheiten an der Brustdrüse, Knotenbildungen und Konsistenz des Parenchyms braucht einige Erfahrung. Naturgemäss kann bei schlanken Frauen das Drüsenparenchym sehr viel besser palpiert und beurteilt werden als bei adipösen Patientinnen, was aber gerade wegen der gut tastbaren Unebenheiten der Brustdrüse zu Verunsicherung führt. Bei Frauen mit erhaltenem hormonellem Zyklus sollte die Brustpalpation immer unmittelbar postmenstruell erfolgen, da in diesem Zeitpunkt die Stimulation der Brustdrüse und entsprechend die Schwellung und die Dolenz am geringsten sind. In diesem Zyklusabschnitt hat man auch die bessere Chance, einen etwaigen Knoten zu finden.
Bei einem neu entdeckten Mammaknoten, der auch postmenstruell noch eindeutig palpabel ist, ist ein malignes Geschehen mit grösstmöglicher Sicherheit auszuschliessen. Mit zunehmendem Alter sind Mammakarzinome ja häufiger, dennoch können durchaus auch jüngere Frauen von einem Brustkrebs betroffen sein. Daher ist auch bei jungen Frauen die Diagnostik eines Mammaknotens sorgfältig und so weitgehend durchzuführen bis Klarheit über die Natur des Knotens herrscht.
Zusätzlich zur klinischen Untersuchung wird bei einem Tastbefund eine Mamma-Sonographie und je nach Alter der Patientin und dem sonographischen Befund auch eine Mammographie durchgeführt. Bei jungen und jüngeren Frauen ist in der Regel die Sonographie ausreichend, bei Frauen im mittleren und höheren Alter ist eine mammographische Untersuchung zusätzlich indiziert. Stellt sich ein Mammaknoten in der Sonographie als Zyste heraus, sind, je nach Alter der Frau und der Sonomorphologie des Befundes keine weiteren Abklärungen notwendig. Ist der zystische Befund nicht eindeutig echofrei oder zeigen sich Unebenheiten an der Zysteninnenwand oder Septen, kann die Zystenpunktion mit Entleerung und zytologischer Untersuchung des Sekretes durchgeführt werden.
Tastbefunde, die sonographisch solid erscheinen, sind zwingend durch eine FNP als Minimum abzuklären. Es gilt gutartige Mammatumoren, wie z.B. das Fibroadenom, von malignen abzugrenzen. Bei Verdacht auf ein Fibroadenom kann je nach Alter und Wünschen der Patientin unterschiedlich vorgegangen werden. Je jünger die Patientin und je kleiner die Fibroadenome, desto eher ist ein exspektatives Vorgehen mit Verlaufsbeobachtung gerechtfertigt. Dabei stehen die regelmässige postmenstruelle Selbstkontrolle der Patientin und die klinische Kontrolle 1-2 Mal pro Jahr, allenfalls ergänzt durch zusätzliche Mamma-Sonographie im Vordergrund. Bei raschem Wachstum des vermuteten Fibroadenoms oder vor einer geplanten Schwangerschaft ist die Exzision des Knotens indiziert.
Ab einem gewissen Alter ist, auch wenn sämtliche Untersuchungsergebnisse auf ein benignes Geschehen hinweisen, aus Sicherheitsgründen die Exzision eines Mammaknotens empfohlen. In diesen Fällen dient die vorgängig durchgeführte Zytologie lediglich der groben Evaluation bezüglich Malignität und damit zur Planung des operativen Vorgehens.
Bei guter Punktionstechnik und einem erfahrenen Zytologen ist die Rate der falsch negativen Resultate klein. Bei benignem Zytologieresultat kann die einfache Knotenexzision geplant werden.
Liegt eine Diskrepanz vor zwischen klinischem Befund, Bildgebung und zytologischem Resultat, ist der Tastbefund zwingend weiter abzuklären. In diesen Situationen kann eine minimal invasive histologische Abklärung in Lokalanästhesie vorgenommen werden, z.B. durch ultraschall-gesteuerte Biopsie oder Stanzbiopsie. Aus dem so gewonnenen Gewebe ist in der Regel mit 100%-iger Sicherheit eine histologische Diagnose möglich und somit, falls nötig, die weitere Behandlung planbar.
Tastbefunde an den Mammae sollten nur in Ausnahmefällen in örtlicher Betäubung in der Praxis entfernt werden. Oft sind auch scheinbar sehr oberflächlich liegende Befunde tiefer reichend als man annimmt. Zudem läuft man Gefahr bei operativem Vorgehen in LA Befunde nur sehr knapp im Gesunden zu exzidieren, was je nach der definitiven Histologie ein Nachteil ist. Erschwerend kommt hinzu, dass durch Setzen einer ausreichenden LA das Gewebe ödematös wird und so die genaue Lokalisation des Befundes erschwert wird.
Entzündungen der Brust
Gelegentlich wird man mit Brustentzündungen, meist bei jüngeren Frauen, konfrontiert. Die non puerperale Mastitis zeigt sich mit Rötung, meist periareolär lokalisiert, und mit Schmerzen an der betroffenen Brust. Da die Anamnese kurz ist, findet sich bei der ersten klinischen Untersuchung häufig bereits ein Abszess. Die Behandlung erfolgt ambulant mit Gabe von Antibiotika und Antiphlogistika, evtl. zusätzlich lokale Kühlung. Bei bereits erfolgter Abszedierung kann die Abszesspunktion durchgeführt werden. Bei grösseren Abszessen ist in der Regel aber eine operative Eröffnung und Drainage notwendig.
Unter medikamentöser Therapie heilt die Mastitis non puerperalis gewöhnlich rasch aus. Der Behandlungserfolg sollte aber verfolgt werden und eine erste Kontrolle 5-7 Tage nach Therapiebeginn ist sinnvoll. Ist klinisch keine deutliche Besserung eingetreten, muss an eine Abszessbildung oder an einen seltenen Erreger, wie z.B. Tuberkulose oder als Differentialdiagnose an das inflammatorische Mammakarzinom gedacht werden. Persistieren die Entzündungszeichen auch nach genügend langer und adäquater antibiotischer Therapie, ist das inflammatorische Mammakarzinom durch eine Biopsie auszuschliessen.
Ein Problem bei der non puerperalen Mastitis sind die Rezidive. Dieser treten vorwiegend bei Raucherinnen auf. Auch an ein nicht-erkanntes diabetisches Geschehen muss gedacht werden. Eine wirksame Prophylaxe der Mastitisrezidive ist aber nicht bekannt. Diskutiert wurden diesbezüglich früher Prolaktin-Inhibitoren.
In jedem Fall sollte 3 Monate nach einer abgeheilten non puerperalen Mastitis eine Mammographie durchgeführt werden. Bei zu früh veranlasster Mammographie wird der Restzustand nach der Entzündung das mammographische Bild verfälschen resp. eine Pathologie vortäuschen, wo keine ist. Deshalb ist auf die genügend lange Intervallzeit zwischen Ausklingen der Mastitis und der Bildgebung zu achten.
Mamillensekretion
Eine Mamillensekretion kann spontan oder auf Druck erscheinen. Sie kann ein- oder beidseitig, aus einem oder mehreren Milchgängen erfolgen. Zu beachten ist die Farbe und die Transparenz des Sekretes, die serös, trüb oder opak sein kann und in der Farbe wässerig oder weisslich oder verschiedenfarbig wie gelb, grün, braun bis schwarz oder eindeutig blutig-rot.
Als Galaktorrhoe wird streng genommen nur die milchartige Absonderung aus einer oder beiden Mamillen bezeichnet. Bei Frauen, die geboren und gestillt haben, ist bis zu 2 Jahren nach Laktationsstop eine milchige Mamillensekretion physiologisch. Aber auch Jahre später ist oft noch ein beidseitiger milchiger Mamillenpresssaft nachweisbar.
Bei der Diagnostik einer Mamillensekretion sollte der Sekretaustritt aus der Mamille beobachtet werden, wenn nötig, unter Zuhilfenahme einer Lupe. Bei verfärbtem Sekret kann dieses auf einem weissen Gazetupfer genauer beurteilt werden. Bei Verdacht auf blutige Mamillensekretion ist evtl. die Suche nach okkultem Blut hilfreich, z.B. mit Hilfe eines Multistix®-Streifen, wie er auch für die Urinanalysen verwendet wird.
Eine beidseitige Mamillensekretion, in der Regel aus mehr als einem Milchgang, spricht für ein im weitesten Sinn hormonelles Geschehen. Obwohl häufig kein erhöhter Prolaktinspiegel nachgewiesen werden kann, ist doch am wahrscheinlichsten eine geringfügige Erhöhung oder Modulation des individuellen Prolaktinspiegels die Ursache der Sekretion. Dies wird auch für gewisse Medikamente angenommen. Daher ist bei beidseitiger Sekretion eine detaillierte Anamnese notwendig mit der genauen Nachfrage nach Medikamenteneinnahme, nach den Lebensumständen, Stressfaktoren, zudem Zyklusstörungen oder Zeichen einer Schilddrüsenerkrankung. Die Bestimmung des Prolaktinspiegels wie auch der Schilddrüsenhormone ist sinnvoll. Dagegen kann auf eine Sekretzytologie verzichtet werden.
Eine Therapie ist indiziert bei einer klaren Hyperprolaktinämie. Bei normalem Prolaktinspiegel gestaltet sich eine Behandlung schwierig. Allenfalls kann versucht werden, die auslösenden Faktoren zu meiden resp. zu reduzieren. Oftmals genügt es aber, nach den Abklärungen einer Patientin zu versichern, dass in ihren Mammae nichts Krankhaftes vorliegt, sondern lediglich ein im weitesten Sinn Ungleichgewicht im hormonalen Stoffwechsel.
Ein weiterer Umstand, der zu beidseitigem Mamillenpresssaft, häufig mit verfärbtem Sekret führen kann, ist die Milchgangserweiterung, die Duktektasie. Typischerweise zeigen sich dabei sonographisch erweiterte Milchgänge retroareolär. Eine spezifische Therapie ist für diesen Zustand nicht notwendig. Zeigt sich bei einer Patientin aber eindeutig nur aus einem einzelnen Milchgang Flüssigkeit, so ist in jedem Fall eine Sekretzytologie indiziert und bei genügend weitem Dukt eine Galaktographie. Erkennt man dann ein Gangabbruch oder eine Aussparung, so sollte der betreffende Milchgang gezielt operativ entfernt und histologisch untersucht werden. Ein intraduktaler Prozess im Sinne eines Papilloms oder gar Karzinoms ist dann wahrscheinlich.
Nebst den vier vorgängig genannten senologischen Erkrankungen resp. Problemen gibt es noch eine Vielzahl anderer Befunde, die aber auch in einer senologischen Spezialsprechstunde nur selten gesehen werden. Dem niedergelassenen Arzt/In kommt die wichtige Aufgabe zu, die Patientinnen, die verständlicherweise bei Brustbefunden alarmiert sind und mit Angst in die Sprechstunde kommen, zu beruhigen und die notwendigen Therapien oder allfällige Abklärungen in die Wege zu leiten.
Dr. med. Judit Pok, Leitende Ärztin, Klinik für Gynäkologie, Universitätsspital Zürich
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