Prostatakarzinom
Bedeutung des Prostatakarzinoms
Der Prostatakrebs (= Prostatakarzinom) ist das häufigste Krebsleiden des älteren Mannes. In der Schweiz werden pro Jahr ca. 3’000 Neuerkrankungen festgestellt und etwa 1’500 Männer sterben pro Jahr an den Folgen eines Prostatakarzinoms. Die Häufigkeit der Erkrankung steigt mit zunehmendem Alter. Daneben erhöhen die familiäre Belastung (betroffener Vater oder Bruder) und auch Ernährungsgewohnheiten mit grossem Konsum von tierischen Fetten das Risiko, an einem Prostatakarzinom zu erkranken.
Verlauf einer Prostatakarzinomerkrankung
Jeder Prostatakrebs hat eine eigene biologische Aggressivität. Aggressive Tumore wachsen schnell, manifestieren sich auch beim jüngeren Mann und können innerhalb weniger Jahre zum Tod führen. Andere Tumore wachsen über Jahre langsam und bleiben oft unerkannt («viele Männer sterben mit als wegen einem Prostatakarzinom»). So finden sich bei ca. 80% der 80-jährigen Männer ein Prostatakarzinom, das aber in diesem hohen Alter keine Bedeutung mehr hat.
Im frühen, heilbaren Stadium wächst der Krebs innerhalb der Prostata. In diesem Stadium ist der Patient beschwerdefrei. Der Krebs breitet sich dann über die Prostatakapsel aus in die Lymphknoten und Knochen. Unbehandelt führt der Tumor lokal zu einem Harnstau in die Nieren, Störung des Lymphabflusses und dadurch und zusätzlich durch die Ableger (Metastasen) in weiteren Organen zum Tode.
Diagnostik eines Prostatakarzinoms
Wie kann ein Prostatakarzinom frühzeitig diagnostiziert werden? Das Ziel einer frühzeitigen Diagnose ist die Entdeckung des Karzinoms im Anfangsstadium, da dann noch meist eine vollständige Heilung möglich ist. Die meisten Prostatakrebse werden heute im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen gefunden. Da der Tumor meist in den äusseren, darmnahen Drüsenabschnitten wächst, kann er häufig als schmerzloses, derbes Knötchen beim Tasten der Prostataoberfläche durch den Mastdarm festgestellt werden. Neben dem Abtasten der Prostata ist der Bluttest mit Bestimmung des Tumor-Antigens-PSA (PSA-Test) Standard einer Vorsorgeuntersuchung, die wir Männern ab 50 Jahre, bei familiärer Belastung ab 45 Jahre, empfehlen. Die Diagnose eines Karzinoms wird mit einer gezielten Gewebsentnahme durch den Urologen unter Mithilfe des Fingers (rektales Tasten) oder eines Ultraschallgerätes (transrektaler Ultraschall) gestellt, die ambulant und mit einer Lokalanästhesie durchgeführt werden kann. Die Suche eines Prostatakarzinoms bei einem Mann mit einer Lebenserwartung unter 10-15 Jahre ist in der Regel nicht sinnvoll und gezielte Vorsorgeuntersuchung sollte darum bei Männern über 75 Jahre nicht mehr durchgeführt werden. Männer mit einer Lebenserwartung über 10-15 Jahre können jedoch von einer Frühdiagnose eines Prostatakarzinoms profitieren, weil dann der Krebs noch heilbar ist.
Therapie des organbegrenzten Prostatakarzinoms
Frühzeitig diagnostizierte Prostatakarzinome werden meist operiert oder bestrahlt. Das alleinige Beobachten des natürlichen Verlaufs ist nur zu diskutieren für Männer mit einer Lebenserwartung von weniger als 10 Jahren und einem wenig aggressiven Prostatakrebs.
Operation – radikale Prostatektomie
Das Ziel der Operation ist die vollständige Entfernung des Tumors und damit die Heilung. Es stehen heute dem Urologen neben der offenen chirurgischen Prostataentfernung (radikale Prostatektomie) durch einen Bauch- oder Dammschnitt die Behandlung durch eine Bauchspiegelung (Laparoskopie) zur Verfügung. Seit 2 Jahren ist in wenigen Schweizer Spitälern auch die roboterassistierte laparoskopische Prostatektomie möglich. Die Wahl der Methode hängt im wesentlichen von der Erfahrung des Urologen und der Konstitution des Patienten mit seinen Begleiterkrankungen ab. Die Methoden sind betreffend den Heilungschancen identisch. Der Spitalaufenthalt dauert 4-15 Tage und die Rekonvaleszenz ca. 3 Wochen bis 6 Monate. Dauer des Spitalaufenthalts und der Rekonvaleszenz hängt von der gewählten Operationsmethode, der postoperativen Harnkontinenz und beruflichen Aktivität ab. Bei 15-20% der Fälle hat der Tumor die Prostatakapsel bereits erreicht oder überschritten und zusätzliche Behandlungsmöglichkeiten wie die Bestrahlung oder Hormonbehandlung können besprochen werden. Das Risiko eines unkontrollierten Urinverlustes (Harninkontinenz) beträgt ca. 5% nach einem Jahr und die Rate der Erektionsstörungen (Impotenz) 40-80%.
Äusserliche Bestrahlung (externe Radiotherapie)
Die Bestrahlung der Prostata kommt für Patienten mit frühdiagnostiziertem Prostatakarzinom in Frage, die sich nicht einer Operation unterziehen wollen oder wo dies wegen einer Begleiterkrankung nicht möglich ist. Die Strahlen werden auf die Prostata zentriert und die umliegenden Organe wie die Blase und der Mastdarm bleiben möglichst vom Strahlenfeld verschont. In 30-40 ambulanten Sitzungen während insgesamt 6-8 Wochen wird die bestimmte Strahlenmenge verabreicht. Die Röntgenstrahlen zerstören die Krebszellen. Meist kann die Arbeit rasch wieder aufgenommen werden. Im Verlauf der ersten Jahre nach der Bestrahlung können Blasenschmerzen und Blasenreizzustände auftreten. Die Erektionsstörung entwickelt sich langsam in 30-70% der Patienten. In Fällen von lokal ausgedehntem Tumorwachstum kann neben einer Bestrahlung eine zusätzliche Hormonbehandlung eingeleitet werden. Da die Prostata als Gewebe nicht entfernt wird, sind Aussagen über die spezifische Prognose der Krankheit nach Strahlentherapie schwieriger als nach der radikalen Prostatektomie.
Prostataspickung (Brachytherapie)
In Narkose werden kleine radioaktiv strahlende Partikel (stents) in die Prostata platziert. Diese werden unter Ultraschallkontrolle über den Damm mit Hohlnadeln eingebracht. Die Krebszellen werden durch eine Bestrahlung von innen abgetötet. Die Impotenzrate liegt zwei Jahre nach Behandlung bei 30-50%, Langzeitresultate über 10 Jahre liegen noch nicht vor. Diese Methode eignet sich für Tumore, die weniger aggressiv sind und für Patienten mit eher kleinen Prostatadrüsen und fehlenden Probleme beim Wasserlösen.
Therapie des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms
Das Wachstum einer Prostatakrebszelle hängt wesentlich vom männlichen Sexualhormon Testosteron ab. Die Blockade der Hormonwirkung durch medikamentösen Eingriff in die biochemische Synthese (LHRH-Analoga), der Verhinderung seiner Wirkung an der Prostata selber (Antiandrogene) oder aber die operative Entfernung der hormonproduzierenden Gewebe an den Hoden (Orchiektomie) sind die Möglichkeiten, eine Hormonbehandlung durchzuführen.
Die Nebenwirkungen der Hormontherapie mit LHRH-Analoga und Orchiektomie sind Verminderung der Libido, Impotenz, Hitzewallungen und Abnahme der Knochendichte und Osteoporose. Die Antiandrogene unterdrücken die Wirkung des Testosterons an der Tumorzelle ohne Störung der Libido und Potenz in den ersten Monaten. Als Nebenwirkung entstehen durch die Antiandrogene schmerzhafte Brustvergrösserungen, weshalb vorgängig einer Therapie zu einer externen Bestrahlung geraten wird.
Nach einem Intervall von mehreren Monaten bis Jahre dominieren die hormonunabhängigen Tumorzellen das Tumorwachstum. Das Krebsleiden schreitet damit trotz Hormontherapie weiter (hormonresistentes Prostatakarzinom). In dieser Situation können die Bestrahlung symptomatischer Knochenmetastasen oder Medikamente, die über den Calciumstoffwechsel auf die Knochenmetastasen wirken, eine Linderung der Symptome erbringen. Die Therapie wird in dieser Situation gemeinsam von Urologen, Radioonkologen und Onkologen entschieden.
Die Metastasen in Knochen oder Lymphknoten können zu starken Schmerzen oder auch Knochenbrüchen führen. Lokal kann die Prostata bluten, es können Harnverhaltungen oder Stauungen des Harnabflusses aus den Nieren entstehen, die mit Bestrahlungen, Katheter oder operativen Massnahmen behandelt werden.
Zusammenfassung
Das Prostatakarzinom ist der häufigste bösartige Tumor des Mannes im höheren Alter und zweithäufigste Todesursache bei Tumorerkrankungen des Mannes. Eine Heilung ist bei einer Diagnose im Frühstadium möglich. Meist ist der Patient in dieser Phase absolut beschwerdefrei. Die Vorsorgeuntersuchung wird durch die Abtastung der Prostata und Bestimmung des PSA im Blut vorgenommen und im Zweifelsfall durch eine Prostatabiopsie ergänzt. Wird ein organbeschränktes Prostatakarzinom gefunden, kommt in erster Linie die operative Entfernung der Prostata oder eine Bestrahlung in Frage. Bei fortgeschrittenem Karzinom mit Metastasen kann die Hormontherapie den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen.
PD Dr. med. Hubert John, Leitender Arzt, Urologische Klinik und Poliklinik, Universitätsspital Zürich.
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