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Zukunft der Kardiologie

Die Kardiologie hat sich in den letzten 25 Jahren rasant entwickelt, sowohl im Bereich der nicht-invasiven Diagnostik wie auch in der Therapie der kardiovaskulären Krankheiten. Andreas Grüntzig hat mit der ersten Ballondilatation im Jahre 1977 ein neues Gebiet der interventionellen Kardiologie begründet, welches in den letzten 25 Jahren einen Boom erlebt hat, der seinesgleichen sucht. Die Miniaturisierung der Kathetertechnik ermöglicht heute auch die kleinsten Äste der Koronararterien zu sondieren und entsprechend zu therapieren. Nachdem initial die Ballondilatation zur Behandlung der koronaren 1- bzw. 2-Gefässerkrankung eingesetzt wurde, werden heute mehr und mehr koronare 3-Gefässerkrankungen behandelt und in über 80-90 % aller Interventionen koronare Stents implantiert, welche häufig mit antiproliferativen Substanzen beschichtet sind.

 

Im Bereich der nicht-invasiven Diagnostik hat sich vor allem die Echokardiographie zu einem Grundpfeiler der Kardiologie entwickelt, indem heute neben der 2D- und Dopplerechokardiographie vor allem auch Color-Doppler- und Doppler-Tissue-Imaging, aber auch «Strain-Rate Techniken» verwendet werden. Die Entwicklung der Kontrastechokardiographie erlaubt heute Perfusionsstudien, welche die direkte Visualisierung von Shuntverbindungen ermöglicht.

 

Die dritte Sparte der Kardiologie, die Elektrophysiologie, hat ebenfalls eine rasche Entwicklung durchgemacht, wobei heute vermehrt Katheterablationen und die Implantation von hoch entwickelten Schrittmachersystemen und Defibrillatoren zum Standard geworden sind. In naher Zukunft werden die Kardiologen sich weiter spezialisieren müssen, wobei neben dem Fachtitel «Kardiologie» in Zukunft auch Untertitel wie 1) nicht-invasive Kardiologie, 2) interventionelle Kardiologie, 3) kardiale Elektrophysiologie verwendet werden. Weitere Gebiete von Bedeutung sind: kardiovaskuläres Imaging, kardiale Prävention und Rehabilitation, Herzinsuffizienz und Herztransplantation, molekulare Kardiologie, kardiovaskuläre Biologie. Die Spezialisierung in verschiedene Untergebiete der Kardiologie wird die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten weiter vertiefen und letztlich zu einer Abnahme der kardiovaskulären Erkrankungen führen. In den Vereinigten Staaten konnte während der letzten 25 Jahre parallel zur Abnahme des Serumcholesterins eine signifikante Reduktion der kardiovaskulären Mortalität beobachtet werden, welche in dieser Periode von 24 auf 9 % abgenommen hat. Die niedrigen kardiovaskulären Mortalitätsraten in Japan und in den mediterranen Ländern konnten auf die spezifischen Ess- und Trinkgewohnheiten in diesen Ländern zurückgeführt werden und haben zu einem Umdenken in der modernen Kardiologie geführt, indem heute vermehrt Fischkonsum und die Einnahme von ungesättigten Fettsäuren bzw. moderater Genuss von Rotwein empfohlen werden kann.

 

Was können wir in Zukunft von der Kardiologie erwarten? Die kardiovaskuläre Mortalität ist in der Schweiz für ca. 43 % aller Todesfälle verantwortlich. Diese Zahl wird in den kommenden Jahren kontinuierlich sinken, wobei neben der verbesserten Prävention vor allem auch die therapeutischen Interventionen zu einer Reduktion der kardiovaskulären Mortalität geführt haben. Die weitere Miniaturisierung der interventionellen Techniken und die Reduktion der grossen invasiven Eingriffe (z.B. Herzoperationen) werden zu einer breiteren Anwendung der Koronarinterventionen auch bei älteren und gebrechlichen Patienten führen. Damit wird nicht nur der Anteil der kardiovaskulären Mortalität an der Gesamtmortalität weiter sinken, sondern auch die Lebenserwartung von heute 80 auf 90 Jahre im Jahre 2040 und auf knapp 100 Jahre im Jahre 2080 ansteigen.

 

Weiter wird sich die Kardiologie von der Palliation zur Prävention entwickeln, d.h. es werden vermehrt Strategien entwickelt, die das Auftreten von kardiovaskulären Erkrankungen verhindern, z.B. Ernährungsprogramme, Förderung der körperlichen Fitness, Lifestyle-Modifikationen und der Einsatz von Anti-Aging Nahrungsmitteln oder Medikamenten. In diesem Zusammenhang konnten die Auswirkungen der Primär- und Sekundärprävention auf die kardiovaskuläre Mortalität gezeigt werden.

Während die kardiovaskulären Ereignisse in der gesunden Bevölkerung selten sind, konnte die Mortalität durch die Senkung der low-density Lipopoproteine (LDL) (Abbildung 3) noch weiter gesenkt werden. Eine Senkung des Serumcholesterins führt bei Patienten nach Herzinfarkt (= Sekundärprävention) zu einer drastischen Reduktion des kardiovaskulären Risikos. Eine Senkung der kardiovaskulären Ereignisse auf 0 % kann aber nur im Rahmen der Primärprävention erwartet werden. Theoretische Überlegungen  haben  in  dieser  Hinsicht  gezeigt, dass die  koronare  Herzkrankheit bzw. Atherosklerose durch eine Kombination von verschiedenen Medikamenten und Vitaminen reduziert, wenn nicht eliminiert werden kann. Dabei müsste eine Intervention auf 3 Ebenen durchgeführt werden:

  • 1. Senkung des Cholesterins durch ein Statin
  • 2. Senkung des Homocysteins durch eine Vitamin-B-Kombination (z.B. Cardio-Vit)
  • 3. Hemmung der Plättchenfunktion durch Acetylsalicylsäure (z.B. Aspirin)

 

Die Wirkung der Cholesterinsenkung und der Blutplättchenhemmung auf die kardiovaskuläre Mortalität ist wissenschaftlich gut dokumentiert (Evidenzgrad A), während der Effekt der Homocysteinsenkung auf die kardiovaskuläre Mortalität noch nicht vollständig etabliert ist (Evidenzgrad B). Theoretische Abhandlungen haben jedoch gezeigt, dass durch eine Kombination dieser 3 Substanzen eine signifikante Reduktion der kardiovaskulären Mortalität mit Verminderung der kardiovaskulären Todesfälle unter 10 % der Gesamtmortalität erwartet werden kann. Diese Entwicklung dürfte zu einer weiteren Überalterung der Bevölkerung und Belastung der sozialen Institutionen (AHV) führen, deren Auswirkungen heute nur ungenau abgeschätzt werden können.

 

Prof. Otto M. Hess, Kardiologie, Schweizer Herz- und Gefässzentrum Bern, Universitätsklinik Inselspital, 3010 Bern.



 
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