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Metabolisches Syndrom: Die neue Epidemie?


Das Konzept des metabolischen Syndroms existiert bereits seit über 80 Jahren. Die Konstellation von metabolischen Störungen wurde zuerst 1923 von Kylin, einem schwedischen Arzt, als das Zusammentreffen von Bluthochdruck, erhöhten Blutzuckerwerten und Schilddrüsenfunktionsstörung beschrieben. Im Verlauf wurde dann 1946 durch Vague die wichtige Beobachtung einer Adipositas zu diesem Phänotyp hinzugezählt und vor allem die Assoziation mit einem Typ-2-Diabetes und Herz-/Kreislauferkrankungen erwähnt. Mittlerweile hat sich über die letzten 20 Jahre die Zunahme der globalen Problematik Übergewicht und Adipositas auch auf die Prävalenz des metabolischen Syndroms ausgewirkt. Die Folge ist ein Anstieg in der Häufigkeit von Diabetes. Da das metabolische Syndrom nicht nur auf den Diabetes sondern auch auf kardiovaskuläre Erkrankungen Auswirkungen hat, sind dringlich notwendige Strategien zur Prävention dieser heranwachsenden globalen Epidemie nötig.

 

In unserer heutigen Auffassung betrifft die Konstellation des metabolischen Syndroms eine Zuckerintoleranz (Typ-2-Diabetes, verminderte Glukosetoleranz oder ein verminderter Nüchtern-Glukose-Blutwert), eine Unfähigkeit Insulin genügend in die Zelle aufzunehmen, zentrales Übergewicht, Störungen im Fettstoffwechsel und Bluthochdruck. Gemäss Definition des metabolischen Syndroms im April 2005 (definiert durch eine von der internationale Diabetesföderation eingeladener Expertengruppe), sollte eine Person mit metabolischem Syndrom folgende Charakteristika aufweisen (siehe Tabelle 1).

 

Tabelle 1: Definition des metabolischen Syndroms gemäss der internationalen Diabetesföderation, Konsensuskonferenz April 2005.

 

 
 

 

Das metabolische Syndrom ist eine Epidemie vor dem Hintergrund eines zunehmend steigenden Körpergewichtes in den westlichen Gesellschaften. Damit verbunden ist ein signifikanter Anstieg der Häufigkeiten von Typ-2-Diabetes, Herz-/Kreislauferkrankungen sowie den damit verbundenen Gesundheitskosten. Jeder der einzelnen Komponenten der obgenannten Definition des metabolischen Syndroms repräsentieren eine Steigerung des Risikos und sollten wenn möglich, frühzeitig aggressiv therapiert werden, um das Auftreten von Diabetes und Herzkreislauferkrankungen zu vermeiden. Man weiss, dass das metabolische Syndrom bis zu 10 Jahre vorher bereits durch einen gestörten Zuckerhaushalt festgestellt werden kann. Ein frühzeitiges und aggressives Management dieses Syndroms hat demgemäss einen sehr grossen Einfluss auf die Prävention zur Entwicklung von Zucker- und Herz-/Kreislauferkrankungen. In einer finnischen Studie betrug die Häufigkeit des metabolischen Syndroms und Personen mit einem normalen Zuckerhaushalt 10%, und in Personen mit verminderter Zuckertoleranz oder vermindertem Zuckerhaushalt 45%.

 

Wir wissen heute, dass die Häufigkeit des metabolischen Syndroms altersabhängig ist und dass sie mit zunehmendem Alter steigt. In einer deutschen Studie (Procam-Studie) betrug die Häufigkeit in Personen über 45 Jahren um die 25%. Bei einer zunehmend älter werdenden Gesellschaft muss deshalb damit gerechnet werden, dass die Häufigkeit des metabolischen Syndroms weiter deutlich zunimmt. In der Schweiz konnte durch den schweizerischen Gesundheitsfragebogen im Jahr 2002 eine Altersabhängigkeit des Übergewichts bei Schweizer Erwachsenen und Kindern festgestellt werden. Im Vergleich zu 1992 nahm dabei die Rate der Übergewichtigen in den letzten zwei Dekaden zu. Bereits 24% der Schweizer Schulkinder im Alter zwischen 6 und 12 Jahren leiden an Übergewicht oder Adipositas (siehe Abbildungen 1 und 2). Es wurde berechnet, dass jeder Anstieg des Körpergewichts um 5 kg innerhalb von 15 Jahren das Risiko ein metabolisches Syndrom zu entwickeln um 25% steigert. Diese Daten sind allerdings von kleinen Kohorten-Studien oder lokalisierten Fragebogen erhoben worden. Für die Schweiz liegen aktuell keine globalen Daten zur Einschätzung der Adipositas und/oder des metabolischen Syndroms vor. Dementsprechend gibt es Bemühungen in einer schweizweit epidemiologischen Kohorte die Häufigkeit dieser Symptome im Verlauf des nächsten Jahrzehntes zu verfolgen (SMS-Projekt der Cardiovasc Suisse).

 

Ein in der letzten Zeit immer häufiger diskutierter Ansatzpunkt für die Analyse des metabolischen Syndroms liegt in der Genetik. Circa 40 bis 70% der Variation in den adipositasbedingten Phänotypen ist vererbbar. Obwohl bisher verschiedenste einzelne Genmutationen in Tiermodellen identifiziert werden konnten, erscheint die Situation im Menschen derzeit sehr komplex. Die meisten Formen menschlicher Adipositas sind vor dem Hintergrund multipler Interaktionen zwischen verschiedenen Genen, Umweltfaktoren und dem Verhalten zu sehen. Dabei ist der fundamentale Zugang zur Verhinderung einer Adipositas-Epidemie, wie in mehreren kleinen Studien zu Darstellung kam, die Gewichtsreduktion und vermehrte körperliche Aktivität. Dadurch würde auch präventiv hinsichtlich metabolischem Syndrom gearbeitet werden.

 

Weitere interessante und wichtige Informationen zum Thema metabolisches Syndrom finden sie auf der Web-Page der Schweizerischen Herzstiftung und vom Cardiovasc Suisse (www.suisseheartfoundation.ch, www.cardiovascsuisse.ch).

 

PD Dr. med. Jens P. Hellermann, MSc
Klinik für Kardiologie, UniversitätsSpital Zürich


Abbildung 1a: Übergewicht und Fettleibigkeit bei Schweizer Erwachsenen

Abbildung 1b: Übergewicht und Fettleibigkeit bei Schulkindern im Alter von 6 - 12 Jahren

 
 
 
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25.09.2006 - ssc
 



 
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