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Die Behandlung von Hitzewallungen bei Frauen mit Brustkrebs

Eine Herausforderung

Einleitung

Nach Abschluss der systemischen Brustkrebstherapie ist die Beeinträchtigung des Alltags für die meisten Frauen noch nicht vorbei. Ungefähr zwei Drittel aller postmenopausalen und 80% aller prämenopausalen Brustkrebspatientinnen leiden persistierend an Hitzewallungen.

 

Klinik

Menopausale Symptome umfassen vasomotorische Symptome (Hitzewallungen und Nachtschweiss), zentralnervöse Symptome (Schlaf-, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, Stimmungsschwankungen) und urogenitale Symptome. Währenddem Tamoxifen bezüglich Osteoporoserisiko einen Benefit bringt, werden die Hitzewallungen damit in der Regel noch verstärkt.

 

Hitzewallungen werden subjektiv beschrieben als unmittelbar auftretendes Hitzegefühl im Gesicht, Nacken oder Brustbereich. Sie treten in unterschiedlicher Intensität und Frequenz sowohl tags, als auch nachts auf und tragen entscheidend zu Schlafstörungen bei. Viele Hitzewallungen werden begleitet von Schwitzattacken, Herzklopfen, Reizbarkeit oder gar Panikattacken. Dabei bestehen aber grosse interindividuelle wie auch ethnische Unterschiede. Es gibt Hinweise dafür, dass die Wallungen reaktiv als Ausgleichsversuch auf eine vorausgehende Erhöhung der Kerntemperatur zu verstehen sind. Die Thermoregulation des Hypothalamus wird durch verschiedene neuroendokrine Faktoren gesteuert, welche wiederum durch einen Östrogenentzug beeinflusst werden können.

 

Steroidhormone und Brustkrebs

Bei postmenopausalen Frauen kann die systemische Hormonsubstitution das Risiko für Brustkrebs erhöhen. Gemäss der WHI-Studie beträgt die Erhöhung des relativen Risikos 26%, entsprechend 38 betroffener Frauen pro 10'000 Frauenjahre, verglichen mit 30 betroffenen Frauen in der Placebogruppe. Allerdings führt gemäss der WHI-Studie Östrogen allein nicht zu einer Erhöhung des Brustkrebsrisikos. Zwei unabhängige Studien zur menopausalen Hormontherapie – die frühzeitig abgebrochene HABITS-Studie und die Stockholmstudie – bei Patientinnen mit Brustkrebs zeigen gegensätzliche Resultate bezüglich Rezidivrisiko des Brustkrebses. Die Mechanismen der hormoninduzierten Karzinogenese bleiben also noch weitgehend unbekannt. Zurzeit erlaubt die Datenlage weder den Einsatz von Östrogen noch von Gestagen in der adjuvanten Brustkrebssituation, wobei die Östrogenmonotherapie bezüglich Brustkrebsrezidivrisiko vorteilhafter erscheint als die kombinierte Therapie.

 

Tibolon

Bei gesunden Frauen ist die Wirksamkeit zur Behandlung von Hitzewallungen etabliert, nicht aber bei Brustkrebspatientinnen. In Brustkrebszelllinien stimuliert Tibolon die Apoptose und reduziert die Zellproliferation. Eine grosse Beobachtungsstudie zeigte allerdings eine Korrelation zwischen Tibolon und Brustkrebs in einer ähnlichen Grössenordnung wie bei Östrogenen (Relatives Risiko 1.45). Die Resultate einer grossen randomisierten prospektiven Studie zur Anwendung von Tibolon bei Brustkrebspatientinnen werden 2007 erwartet (LIBERATE-Studie). Eine Pilotstudie weist darauf hin, dass Tibolon unter Tamoxifentherapie einen bescheidenen Benefit auf die Wallungen haben kann. Eine kleine Beobachtungsstudie ergab zudem kein erhöhtes Risiko für Tibolon nach Abschluss einer fünfjährigen Tamoxifentherapie.

 

Selektive Inhibitoren von Serotonin und Noradrenalin Reuptake(SSRI/SNRI)

Zu verschiedenen Wirkstoffen liegen Resultate von prospektiven randomisierten Studien vor, welche eine gute Wirksamkeit bezüglich Reduktion von Schweregrad und Frequenz der Hitzewallungen zeigen. Das Nebenwirkungsprofil ist insgesamt moderat, mit hauptsächlich gastro-intestinalen oder zentralnervösen Symptomen bei ungefähr 10-20% der Patientinnen.

 

Venlafaxin

eine randomisierte Studie sowie eine Pilotstudie mit kurzem Follow-up von nur 6 Wochen zeigen bei der optimalen Dosierung von 75 mg eine mediane Reduktion der Hitzewallungen um 61% verglichen mit 27% bei Placebo. Einschränkend muss erwähnt werden, dass eine randomisiert kontrollierte Studie mit Venlafaxin (37.5 mg gefolgt von 75 mg) über 12 Wochen keine objektive Verbesserung der Hitzewallungen zeigte, allerdings zu einer signifikanten Zunahme der anticholinergen Nebenwirkungen führte. Dieses Resultat stellt den Nutzen aller SSRI/SNRI für diese Indikation in Frage.

 

Paroxetin

Eine randomisiert kontrollierte Studie mit dem ebenfalls kurzen Follow-up von 6 Wochen zeigt für 25 mg Paroxetin eine Reduktion der Hitzewallungen um 65% verglichen mit 38% bei Placebo. Eine neuere randomisierte placebokontrollierte Studie über 4 Wochen zeigt zudem, dass schon 10 mg Paroxetin einen Effekt hat (Reduktion der Hitzewallungen um 40% verglichen mit Placebo um 13.7%), auch den Schlaf verbessert und mit weniger Nebenwirkungen behaftet ist. In dieser Studie haben allerdings 26% der Patientinnen die insgesamt 9-wöchige Therapiedauer (Wechsel von Placebo auf Paroxetin und umgekehrt) nicht vollendet.

 

Fluoxetin

Zeigt ähnliche Effekte mit einer Reduktion der Hitzewallungen um 50% verglichen mit 36% für Placebo.

 

Citalopram

Gemäss einer placebokontrollierten randomisierten Studie an 150 gesunden postmenopausalen Frauen mit Citalopram, Fluoxetin und Placebo liess sich kein Unterschied finden bezüglich Hitzewallungen oder Lebensqualität nach 9 Monaten. Einzig die Schlaflosigkeit wurde durch Citalopram signifikant gebessert.

 

Von Tierstudien ist aufgrund einer Strukturähnlichkeit zu einer antiöstrogenen Bindungsstelle, die bei Tieren das Brustkrebswachstum fördert, die biologische Möglichkeit einer karzinogenen Wirkung von SSRI beschrieben. Diese biologische Erklärung wird jedoch kontrovers diskutiert und konnte durch zwei epidemiologische Studien nicht gestützt werden.

 

Dennoch bleibt die Anwendung von SSRI nicht unbedenklich, insbesondere bei einer gleichzeitig durchgeführten adjuvanten Hormontherapie mit Tamoxifen. Bei Patientinnen mit dem häufigen Genotyp des Cytochrom P450 CYP2D6 senkt Paroxetin die Plasmakonzentration des aktiven Metaboliten von Tamoxifen. Auch Venlafaxin und Fluoxetin sind potente Inhibitoren dieses Enzyms.

 

Neuroendokrine Wirkstoffe

Siehe Gabapentin-Studie

 

Phyto-Östrogene

Einige randomisiert kontrollierte Studien zeigen eine signifikante Verbesserung der Hitzewallungen durch Phyto-Östrogene (unter anderen Soja und Isoflavone). Jedoch zeigte eine grosse randomisiert kontrollierte Studie mit verschiedenen Dosierungen von Rotklee-Isoflavonen bei postmenopausalen Frauen in den USA keine Symptomverminderung im Vergleich mit Placebo, des weiteren konnte ein systematischer Review keinen Benefit der Phyto-Östrogene gegen Placebo zeigen. Eine neuere randomisierte placebokontrollierte Studie an gesunden Frauen mit einem Rotkleeextrakt von 40 mg Isoflavon zeigt ebenfalls keinen Effekt auf Hitzewallungen, jedoch auch keine Zunahme der mammographischen Dichte des Brustgewebes. Eine in-vitro-Untersuchung zeigte dagegen proliferative Effekte von Phytoöstrogenen an Brustkrebszelllinien, diese Effekte konnten mit Traubensilberkerze nicht nachgewiesen werden.

 

Traubensilberkerze (Cimicifuga racemosa)

Cimicifuga wird grundsätzlich gut vertragen. Unerwünschte Nebeneffekte beinhalten gastrointestinale Symptome sowie Hautrötung. In der Literatur werden allerdings auch zwei Fälle beschrieben, in denen ein Leberversagen eine Transplantation nötig machte. Eine randomisiert kontrollierte Studie mit Traubensilberkerze versus Placebo zur Behandlung von Hitzewallungen bei Brustkrebspatientinnen unter Tamoxifen zeigte keine Überlegenheit von Cimicifuga über Placebo. Dennoch ergab eine Open-label-Studie bei Tamoxifen Anwenderinnen eine signifikante Reduktion der Hitzewallungen mit 40 mg Cimicifuga verglichen mit der Gruppe ohne Intervention. Zu einem ähnlichen Resultat bei einer heterogenen Patientinnengruppe (nur ein kleiner Teil nahm Tamoxifen ein) kam eine kleine Pilotstudie mit Remifemin für Hitzewallungen.

 

Vitamin E

Eine placebokontrollierte randomisierte Studie bei Brustkrebspatientinnen zeigt eine leichte Reduktion der Frequenz der Hitzewallungen durch 800 IU Vitamin E. Der geringe Effekt führte nicht zu einer Präferenz der Studienteilnehmerinnen von Vitamin E gegenüber Placebo. Eine neuere Metaanalyse stellt zudem die Sicherheit einer hochdosierten Vitamin-E-Therapie ernsthaft in Frage.

 

Nicht-pharmazeutische Interventionen

Wenige Daten existieren im Bezug auf die Wirksamkeit von Verhaltensmassnahmen, körperlicher Aktivität und Akupunktur auf Hitzewallungen. Akupunktur sollte bei Brustkrebspatientinnen nicht am Arm der operierten Seite durchgeführt werden. Bei gesunden Frauen zeigt die Akupunktur eine Überlegenheit über Placebo zur Behandlung von Hitzewallungen. Zwei randomisiert kontrollierte Studien zeigen einen signifikanten Benefit von Atemtraining und Entspannungsübungen. Diese Techniken sind aber wenig erfolgsversprechend ohne die entsprechende professionelle Instruktion. Körperliche Aktivität scheint insgesamt die Lebensqualität zu verbessern und mag einen positiven Einfluss auf Hitzewallungen haben. Die Literatur gibt aber diesbezüglich kontroverse Angaben. Wie wichtig eine umfassende Beratung für die Zufriedenheit der Patientinnen ist, wird auch durch eine randomisiert kontrollierte Studie belegt.

 

Zusammenfassung

Hitzewallungen sind ein häufiges und belastendes Problem von Frauen mit Brustkrebs. Dennoch gibt es noch ungenügende Evidenz für die einhellige Empfehlung einer sicheren und wirksamen Therapiemethode. Tibolon scheint wirksam zu sein. Die Daten bezüglich Sicherheit sind aber noch ungenügend. Eine Vielzahl von Studien widmet sich der Wirksamkeit von SSRI/SNRI im Hinblick auf die Reduktion von Schweregrad und Frequenz der Hitzewallungen, berücksichtigt aber Fragen der Sicherheit nur marginal. Alle positiven Daten bezüglich der Wirksamkeit von SSRI auf Hitzewallungen beziehen sich auf eine Beobachtungszeit von wenigen Wochen, dagegen konnte die grosse randomisierte finnische Studie bei gesunden Frauen keine signifikante Wirksamkeit nach 9 Monaten nachweisen. Zudem zeigt der praktische Alltag, dass bei uns die Bereitschaft, täglich ein antidepressives oder neuroendokrines Medikament einzunehmen, auch bei Frauen, die durch Hitzewallungen stark beeinträchtigt sind, nicht sehr gross ist. Auch alternative Behandlungsmethoden sind nicht immer unbedenklich.

 

Zurzeit scheint es, dass die Studien zur medikamentösen Behandlung von Hitzewallungen weniger Fragen beantworten, als vielmehr immer neue Fragen aufwerfen. Jedenfalls erlaubt die Datenlage noch nicht, dass wir dieses, die Lebensqualität beeinträchtigende Problem vieler Brustkrebspatientinnen mit einem standardisiert ausgefüllten Rezeptzettel erledigen. In dieser Situation sind Ärztin und Patientin angewiesen, mit ausführlichen Gesprächen ihr Wissen gegenseitig auszutauschen: genauso wie wir heute verpflichtet sind, über unsichere Daten und mögliche Nebenwirkungen zu informieren, sind wir darauf angewiesen, der Patientin zuzuhören, denn nur von ihr werden wir Hinweise auf persönliche Ressourcen und nicht medikamentöse Strategien erhalten. So soll gemeinsam ein Weg gesucht werden, der nicht immer geradlinig sein wird. Vielleicht liegt aber gerade darin die grosse klinische Herausforderung.

 

Dr. med. Christina Schlatter Gentinetta, Oberärztin, Klinik für Gynäkologie, UniversitätsSpital Zürich

 

Referenzen
Bitte bei der Autorin einholen.

 

 
Medizin Spektrum
 
06.06.2006 - dde
 



 
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