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Koronare Herzerkrankung: Interventionelle Therapie oder
Chirurgie bei allen Koronarikern?

 

Drei Therapieformen kommen für die Behandlung der koronaren Herzerkrankung in Frage:

  • Medikamentöse Therapie
  • Perkutane Behandlung der Stenosen (PCI)
  • Koronare Bypasschirurgie (ACB)

Medikamentöse Therapie

Ein konservatives Vorgehen wird meist bei Patienten angewandt, die für eine perkutane Revaskularisation nicht geeignet sind und aufgrund des Alters und der Co-Morbidität für eine Bypassoperation nicht mehr in Frage kommen. Zudem ist bei Patienten mit geringer Ausprägung der koronaren Herzerkrankung die medikamentöse Therapie anzustreben.

 

Chirurgische versus perkutane Revaskularisation

Einfach ist die Entscheidung zwischen den Therapieformen bei Patienten mit signifikanten Stenosen, die einer perkutanen Behandlung nicht zugänglich sind (tortuöse Gefässe, distale Hauptstammstenosen, chronische Gefässverschlüsse). Jedoch ist die Auswahl der Therapie für Patienten, die sowohl für eine Bypassoperation als auch für eine PCI in Frage kommen
oft schwierig. Es gibt mehrere randomisierte Studien, die speziell zur Klärung der Frage konzipiert wurden. Hier ist jedoch anzumerken, dass die Studien den aktuellen Entwicklungen oftmals nicht Rechnung tragen und demnach nur eingeschränkte Gültigkeit aufweisen. So gibt es z.B. keine Daten über den Vergleich Bypasschirurgie – Behandlung mit beschichteten Stents. Es ist jedoch bekannt, dass die beschichteten Stents durch die massive Reduktion der Restenoserate die PCI revolutioniert haben und demnach die täglich anfallenden Entscheidungen ACB versus PCI zu Recht beeinflussen.
Patienten mit koronarer Eingefässerkrankung

 

Prospektive Studien mit langer Beobachtungszeit

(2.5 und 5 Jahre), die Patienten mit koronarer Eingefässerkrankung für eine Bypassoperation oder perkutane Revaskularisation randomisiert haben, fanden einen guten Langzeitverlauf in beiden Patientengruppen ohne Unterschiede bezüglich Tod und Myokardinfarkt [1,2]. Jedoch war der Anteil an Patienten, die aufgrund von Wiederauftreten der Angina pectoris einen erneuten Eingriff benötigten höher in der perkutan behandelten Gruppe. Eine weitere randomisierte Studie verglich die perkutane Behandlung mit der minimal invasiven Bypasschirurgie [3]. Auch hier zeigte sich nach einem Beobachtungszeitraum von 6 Monaten kein Unterschied in der Häufigkeit von Tod und Herzinfarkt (ACB: 6%; PCI: 3%; p = ns). Es kam jedoch ebenfalls zu vermehrten Eingriffen in der PCI Gruppe (ACB: 8%, PCI:
29%; p = 0.003). Fast alle Patienten der randomisierten Studien bei denen nach der Behandlung erneut Angina pectoris auftrat waren nach einem zweiten perkutanen Eingriff beschwerdefrei.

 

Patienten mit Mehrgefässerkrankung

Auch zu diesem Thema gibt es mehrere grössere randomisierte Studien [4-9]. In den meisten Studien wurden jedoch nur die Ballonangioplastie und die ACB Operation miteinander verglichen. Oft gab es weder unbeschichtete Stents (drug eluting stents wurden ohnehin in keiner Studie verwendet) noch eine gute adjuvante medikamentöse Therapie (Clopidogrel,
Glycoprotein 2b/3a Plättchen Hemmer). Die Studienergebnisse sind vergleichbar mit den
obengenannten Studien bei koronarer Eingefässerkrankung. In der perkutan revaskularisierten Gruppe kam es zwar zu mehr Wiedereingriffen aufgrund erneuter Angina pectoris. Jedoch fanden sich selbst bei grossen Studien mit langen Beobachtungszeiträumen (bis 7 Jahren) keine Unterschiede bezüglich Tod und Myokardinfarkt. Eine wichtige zusätzliche Information ergaben jedoch die Studien bei Patienten mit Diabetes mellitus [5,6]. In den meisten Studien hatten diabetische Patienten, die mittels Bypasschirurgie behandelt wurden, eine signifikant niedrigere
Rate an Todesfällen und Myokardinfarkten verglichen mit perkutan behandelten Patienten.

 

Zusammenfassung

  1. 1. Es gibt bei nicht diabetischen Patienten keinen Unterschied bezüglich Tod und Myokardinfarkt
    zwischen den Behandlungsgruppen. Die PCI ist demnach genauso sicher wie die Bypassoperation.
  2. 2. Die erhöhte Rate an Wiedereingriffen in der PCI Gruppe ist durch die Restenoserate bedingt, die seit der Einführung der Stents und vor allem durch die Verwendung der medikamentös beschichteten Stents massiv reduziert werden konnte.
  3. 3. Die Hospitalisations- und auch die Erholungszeit nach dem perkutanen Eingriff ist selbst im Falle eines erneuten Eingriffes wesentlich geringer.
  4. 4. Es ist zu erwarten, dass durch die Fortschritte in der interventionellen Kardiologie (drug eluting Stents, adjuvante Therapie mit Clopidogrel und Glycoprotein 2b/3a Plättchen Hemmer) sowohl die Morbidität als auch die Mortalität nach PCI gesenkt wird und demnach auch bei diabetischen  Patienten ein perkutanes Vorgehen eine gute Option darstellt.

Schlussfolgerung

Bei Patienten mit Ein- oder Mehrgefässerkrankung ist primär eine PCI anzustreben. Ausnahmen stellen Patienten dar, die:

  • perkutan nicht vollständig revaskularisierbar sind (chronische Gefässverschlüsse)
  • ein hohes Risiko für die Intervention aufweisen (distale Hauptstammstenose)
  • an einer ausgeprägten koronaren 3-Gefässerkrankung mit langstreckigen Stenosen leiden.

Nachbehandlung mit Plättchenhemmern: wie und wie lange?

Die Hemmung der Thrombozytenfunktion spielt eine entscheidende Rolle in der Bekämpfung von kardiovaskulären Erkrankungen.

 

Acetylsalicylsäure (ASA): Sie wird seit über 100 Jahren als Schmerzmittel und bei entzündlichen Prozessen eingesetzt und findet seit ca. 1950 erfolgreich bei vaskulären Erkrankungen therapeutische Verwendung. Die ASA ist auch heutzutage die primäre therapeutische Wahl um einen antithrombotischen Effekt zu erreichen. Bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung ist eine Dauertherapie mit Acetylsalicylsäure (100mg/d) anzustreben. Bei Allergie auf Acetylsalicylsäure kann alternativ Clopidogrel verabreicht werden.
 

Thienopyridine (Ticlopidin, Clopidogrel): Die Substanzen unterdrücken über die Blockierung eines Oberflächenrezeptors (ADP-Rezeptor) die Aggregation der Thrombozyten und stellen eine attraktive Ergänzung und Alternative zu ASA dar. Erfolgreich werden die Präparate nach koronarer Ballondilatation mit Stenteinlage zur Verhinderung eines akuten thrombotischen Verschlusses des Stents (Stentthrombose) in Kombination mit ASA eingesetzt. Das Risiko der Stentthrombose konnte damit auf ca. 1% reduziert werden. Ticlopidin wurde von Clopidogrel verdrängt, da Ticlopidin mit zwar seltenen, jedoch gefährlichen hämatologischen Nebenwirkungen behaftet ist und nur unter engmaschiger Kontrolle des Blutbildes verabreicht werden sollte. Clopidogrel wird in der Regel gut vertragen.

Folgende Empfehlungen bestehen für die Behandlung mit Clopidogrel nach Stentimplantation zusätzlich zur Dauertherapie mit Acetylsalicylsäure (100mg/d) [10] (siehe Tabelle).

 

Ladedosis 300-600 mg möglichst vor Stentimplantation
Erhaltungsdosis 75 mg/Tag
Therapiedauer

- mindestens 1 Monat nach Implantation von unbeschichteten Stents

 

- mindestens 9 Monate bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom

 

- mindestens 6-12 Monate nach Implantation von medikamentös-beschichteten Stents

 

Bei Patienten mit oralen Antikoagulation ist ebenfalls eine Dauertherapie mit Acetylsalicylsäure anzustreben. Clopidogrel sollte zusätzlich für einen Monat nach Implantation von unbeschichteten und für 3-6 Monate nach Implantation von medikamentös-beschichteten Stents verabreicht werden.


Dr. med. Michael Billinger, Klinik und Poliklinik
für Kardiologie, Departement Herz und Gefässe,
Universitätsklinik Inselspital, Bern.

 

Referenzen
1. Goy JJ, Kaufmann U, et al. A prospective randomized trial comparing stenting to internal mammary artery grafting for proximal, isolated de novo left anterior coronary artery
stenosis: the SIMA trial. Stenting vs Internal Mammary Artery. Mayo Clin Proc. 2000 Nov;75(11):1116-23.
2. Hueb WA, Soares PR, et al. Five-year follow-op of the medicine, angioplasty, or surgery study (MASS): A prospective, randomized trial of medical therapy, balloon angioplasty, or bypass surgery for single proximal left anterior descending coronary artery stenosis. Circulation. 1999 Nov 9;100(19 Suppl):II107-13.
3. Diegeler A, Thiele H, et al. Comparison of stenting with minimally invasive bypass surgery for stenosis of the left anterior descending coronary artery. N Engl J Med. 2002 Aug 22;347(8):561-6.
4. Hueb WA, Soares PR, et al. The medicine, angioplasty, or surgery study (MASS-II): a randomized, controlled clinical trial of three therapeutic strategies for multivessel coronary
artery disease: one-year results. J Am Coll Cardiol. 2004 May 19;43(10):1743-51.
5. The BARI Investigators. Seven-year outcome in the Bypass Angioplasty Revascularization Investigation (BARI) by treatment and diabetic status. J Am Coll Cardiol. 2000 Apr;35(5):1122-9.
6. Abizaid A, Costa MA, et al. Clinical and economic impact of diabetes mellitus on percutaneous and surgical treatment of multivessel coronary disease patients: insights from the Arterial Revascularization Therapy Study (ARTS) trial. Circulation. 2001 Jul 31;104(5):533-8.
7. Niles NW, McGrath PD, et al. Survival of patients with diabetes and multivessel coronary artery disease after surgical or percutaneous coronary revascularization: results of a large regional prospective study. Northern New England Cardiovascular Disease Study Group. J Am Coll Cardiol. 2001 Mar 15;37(4):1008-15.

8. Rodriguez A, Bernardi V, et al. Argentine Randomized Study: Coronary Angioplasty with Stenting versus Coronary Bypass Surgery in patients with Multiple-Vessel Disease (ERACI II): 30-day and one-year follow-up results. ERACI II Investigators.
9. Legrand VM, Serruys PW, et al. Three-year outcome after coronary stenting versus bypass surgery for the treatment of multivessel disease. Circulation. 2004 Mar 9;109(9):1114-20. Epub 2004 Mar 1.
10. 7th ACCP Conference on Antithrombotic and Thrombolytic Therapy Chest 2004;126:576S-599S

 

 
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26.9.2005 - ssc
 
 



 
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