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Fortschritte bei der Diagnose und Therapie des Blasenkarzinomes

Einleitung

Maligne Tumore der Harnblase gehören in der Schweiz v.a. bei den Männern zu den häufigsten Karzinomen. Während Jahrzehnten wurde vereinfacht folgende Sequenz bei der Diagnose und Therapie des Blasenkarzinoms befolgt: Bei einer Hämaturie, erfolgte eine Zystoskopie, bei einem Tumornachweis folgte die transurethrale Resektion des Tumors (TUR-B) und je nach Karzinomausdehnung wurde eine Zystektomie empfohlen. Auch wenn die genannten diagnostischen und therapeutischen Schritte weiterhin den Goldstandard darstellen, sind im Bereich der molekularen Diagnostik, aber auch bei der Therapie (z.B. nervenerhaltende Zystektomie) in den vergangenen Jahren Fortschritte erzielt worden, die immer mehr Eingang in die klinische Routine finden. Damit kann nicht nur die Mortalität gesenkt sondern v.a. auch die Lebensqualität der Patienten verbessert werden.

 

Epidemiologie und Pathologie

Blasenkarzinome treten in der Schweiz bei Männern 4x häufiger auf als bei Frauen. Mit einer Inzidenz von 27/100'000 Männer stehen sie an 4. Stelle (nach dem Prostatakarzinom, dem Lungenkrebs und Kolon-/ Rektumkarzinomen) und gehört damit weltweit zu der Höchsten. Bei der Frau liegt die Inzidenz des Blasenkrebses erst an 10. Stelle aller Karzinome [1,2]. In den vergangenen Jahren ist die Mortalitätsrate bei den Männern von 9.5/100’000 (1981-1984) auf 7.5/100’000 (1997-2001) und bei den Frauen von 2.8 auf 2.1 gesunken. Als Hauptrisikofaktoren gelten Anilinfarbstoffe (berufl. Exposition?), Nikotinabusus und rezidivierende Harnwegsinfektionen.


Ca. 90% der Tumore sind Urothelkarzinome, bei je knapp 5% handelt es sich histologisch um Plattenepithelkarzinome (häufig mit rez. Infektionen assoziiert) oder um Adenokarzinome (Blasendach, Urachusreste). Es wird zwischen oberflächlichen pTa/pT1 und invasiven Tumoren pT2-pT4 unterschieden. Bei der Primärmanifestation präsentieren sich ca. 75% der Patienten mit oberflächlichen Tumoren und ca. 25% der Patienten mit primär muskelinvasiven Tumoren. Es gibt zunehmend molekularbiologische Hinweise, dass sich diese beiden Gruppen biologisch sehr unterschiedlich verhalten, was hinsichtlich der diagnostischen und prognostischen Möglichkeiten in Zukunft hilfreich sein könnte.

 

Klinische Präsentation

Leitsymptom der malignen Blasentumore ist die Hämaturie, welche auch intermittierend auftreten kann und bei fast 100% der Patienten im Verlauf nachweisbar ist. Pollakisurie, Dysurie und suprapubische Schmerzen können ebenfalls durch einen Blasentumor oder ein Carcinoma in situ bedingt sein. Flankenschmerzen bei Hydronephrose, ein palpabler Unterbauchtumor oder Beinödeme weisen bereits auf ein fortgeschrittenes Stadium hin.

 

Diagnose

Die Urinsedimentuntersuchung ist die Schlüsseluntersuchung. Sofern die Behandlung anderer möglicher Ursachen für eine Hämaturie abgeschlossen ist, sollte bei persistierender Hämaturie (signifikant sind mehr als 4 Ec/GF) eine Zystoskopie mit gleichzeitiger Abnahme einer Spülzytologie erfolgen. Nicht selten werden Blasenkarzinome durch andere Krankheiten maskiert und die Diagnosestellung verzögert. Zum Ausschluss eines Zweittumors im oberen Harntrakt (in 2-5% gleichzeitig vorhanden), sollte eine IV-Urographie oder eine Computertomographie mit KM und Abflussbildern durchgeführt werden.

 

Therapie

Bei jedem zystoskopisch auffälligem Befund muss eine TUR-B durchgeführt werden. Der Eingriff dient der Kuration und der genauen histologische Untersuchung. Abhängig von T-Stadium und Grading sowie Manifestationsart in der Blase (Zahl, Grösse, Lage der Tumore) wird das Rezidiv- und Progressionsrisiko beurteilt und ein Therapieplan erstellt. Bei oberflächlichen Tumoren wird ein blasenerhaltendes Vorgehen gewählt. Nach der TUR-B und einer einmaligen Instillation mit Epirubicin intravesikal zur Senkung des Rezidivrisikos, erfolgen regelmässige zystoskopische Nachkontrollen [3]. Beim muskelinvasiven Karzinom muss, je nach Allgemeinzustand mit dem Patienten die radikale Zystektomie besprochen werden – beim Mann mit Entfernung der Prostata, bei der Frau inkl. Hysterektomie und Vaginavorderwand. Die Urinableitung (nasses oder kontinentes Stoma oder orthotoper Blasenersatz) muss sehr sorgfältig mit dem Patienten diskutiert werden. Die Stomaberaterin sollte früh in den Entscheidungsprozess miteinbezogen werden. Die optimale Patientenselektion und Aufklärung hinsichtlich des zu erwartenden postoperativen Verlaufes ist ein Schlüssel zum Erfolg. Der erektilen bzw. sexuellen Dysfunktion und der Inkontinenz, falls eine orthotope Blase angelegt wird, kommen besondere Bedeutung zu. Diese beiden Komplikationen haben einen wesentlichen Einfluss auf die Lebensqualität nach einer radikalen Zystektomie. Die intraoperative Lokalisation der neurovaskulären Bündel ist eine Möglichkeit, die funktionellen Resultate nach Zystektomie zu verbessern [4]. Als Alternative zur radikalen Operation wird die TUR-B in Kombination mit einer Radio-/Chemotherapie diskutiert [5]. Die radikale Zystektomie bleibt weiterhin der Goldstandard bei der Therapie von muskelinvasiven Tumoren und kann bei Anwendung der Nervenschonung zu sehr guten funktionellen Resultaten führen.

 

Nachsorge

Urothelkarzinome der Harnblase rezidivieren häufig (in 50-70%) und können zu einem geringeren Anteil auch eine Progression von einem oberflächlichen zu invasiven Tumoren machen. Deswegen müssen Patienten, bei denen ein Harnblasenkarzinom diagnostiziert wurde, informiert werden, dass während mindestens 10 Jahren bzw. je nach Alter und Tumortyp lebenslange Nachkontrollen nötig sind. Kontrollzystoskopien sowie eine Zytologie sind initial alle 3-6 Monate, im Verlauf einmal jährlich nötig. Weil die Zystoskopie mit einer gewissen Morbidität und – v.a. für die männlichen Patienten – Dyskomfort verbunden sind und die Zytologie v.a. bei gut differenzierten Tumoren eine ungenügende Sensitivität (bei allerdings hoher Spezifität) zeigt, wird nach diagnostischen Mitteln gesucht, um dies zu verbessern. Verschiedene diagnostische und prognostische Marker/Verfahren werden z.Zt. erforscht oder haben schon Eingang in die klinische Routine gefunden.

 

Am Universitätsspital Zürich werden 2 vielversprechende Verfahren (UroVysion™-FISH-Test und Mikrosatellitenanalyse/LOH) evaluiert und mit der Routinezytologie verglichen. In Zusammenarbeit mit dem Institut für klinische Pathologie wird bei Patienten, die für eine TUR-B geplant sind eine Mikrosatellitenanalyse aus Spontanurin, ein UroVysion™ -Test (Fluorescent in situ hybridization assay for detection of bladder cancer, Abbott, Baar, Schweiz), Standardzytologie und die histologischen Resultate miteinander verglichen. Sowohl die Mikrosatellitenanalyse als auch der UroVysion™-Test verbessern die diagnostische Treffsicherheit bei der Spontanurinuntersuchung signifikant.

 

Generell ist aber noch keine dieser oder anderer Methoden in der Lage die Zystoskopie zu ersetzen und sie werden z.Zt. nur ergänzend eingesetzt [6]. Ob dereinst Hunden eine Rolle beim Screening bzw. in der Nachsorge von Blasenkarzinomen zukommt bleibt zu bezweifeln, auch wenn sie anlässlich einer britischen Studie eine höhere diagnostische Treffsicherheit erzielten, als durch Zufall alleine zu erwarten gewesen wäre [7].

 

Zusammenfassung

Bei einer (persistierenden) Hämaturie muss ein maligner Tumor des Harntraktes mittels Zystoskopie und Bildgebung des oberen Harntraktes ausgeschlossen werden, wobei noch keine sicheren nicht-invasiven Alternativen vorhanden sind. Die sorgfältige anatomische radikale Zystektomie bei muskelinvasiven Tumoren reduziert die postoperativen Komplikationen wie Inkontinenz und sexuelle Dysfunktion und kann damit zur Erhaltung einer guten Lebensqualität beitragen. Die multidisziplinäre Abklärung und Therapie an Zentren führt zu besseren funktionellen und onkologischen Resultaten.

 

 

Dr. med. Räto T. Strebel, Oberarzt, Urologische Klinik UniversitätsSpital Zürich

Referenzen
1. Vereinigung schweizerischer Krebsregister: Inzidenz invasiver Karzinome (www.vskr.ch).
2. International Agency for Research on Cancer WHO (www.iarc.fr).
3. Osterlinck W et al. Guidelines on Bladder Cancer. Eur Urol 2002, 41:105-112.
4. Schmid DM, Strebel RT, Fatzer M, John H, Hauri D. Influence of neurovascular bundles on the urethral pressure. Eur Urol 2005 (Suppl) 4; p106.
5. Danesi DT et al. Conservative treatment of invasive bladder carcinoma by transurethral resection, protracted intravenous infusion chemotherapy, and hyperfractioned radiotherapy. Cancer 2004;101:2540-2548.
6. Kausch I, Böhle A. Nichtinvasive Urindiagnostik des Harnblasenkarzinoms. Was ist gesichert? Urologe A, 2003;42:912-921.
7. Willis CM et al. Olfactory detection of human bladder cancer by dogs: proof of principle study. BMJ 2004;329: 712-717.

 

 
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06.06.2005 - dde
 



 
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