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Editorial

Gefährdung für das Herz: Erkennung und Behandlung

 

Die Klinik und Poliklinik für Kardiologie des Departements Herz und Gefässe des Inselspitals (auch als Schweizer Herz- und Gefässzentrum Bern bekannt) orientiert in dieser Ausgabe in einfacher, einprägsamer Weise über einschlägige kardiologische Themen und neue kardiovaskuläre Studien. Vorab kommen Risikofaktoren zur Sprache. Das metabolische Syndrom steht derzeit im Rampenlicht. Diabetes, Hypertonie und Hypercholesterinämie sind seit geraumer Zeit etabliert als Risikofaktoren für kardiovaskuläre Ereignisse. Beleibtheit wird neu fast auf gleicher Stufe geführt. Bewegungsmangel hätte eine solche Schuldverstärkung von Mittäterschaft zu Haupttäterschaft mehr verdient. Man setzt wohl voraus, dass metabolisches Syndrom und Lethargie Hand in Hand gehen.

 

Das Homozystein ist ein weiterer Risikofaktor, der sein langjähriges Schattendasein verlassen hat. Der Homozysteinspiegel im Blut kann durch einen Vitamin-B-Cocktail (B6, B9 und B12) deutlich und nachhaltig gesenkt werden. Der Umbau zum gefährlichen oxygenierten Homozystein wird gehemmt. Einerseits wird die Transsulfurierung zur Urinausscheidung gefördert (B6), anderseits die Rücktransformierung in Methionin (Remethylierung) begünstigt (B9, B12). Auch wenn fraglich ist, ob das Homozystein zu einem metabolischen Risikofaktor der Grössenordnung von Cholesterin heranwächst, sollte die leichte Angehbarkeit dieses Problems mit Vitaminen genutzt werden.

 

Die diastolische Herzinsuffizienz ist noch nicht aus dem Schatten der systolischen Herzinsuffizienz hervorgetreten. Ihre Bedeutung wird aber zunehmend erkannt und spezifische, zum Teil intuitiv stutzig machende, Therapieschemen haben sich etabliert. Die Herzinsuffizienz generell ist im Begriff, zum wichtigsten medizinischen Problem zivilisierter Länder mit hoher Lebenserwartung zu werden. Die Herztrans- plantation kann punktuell helfen, ungleich wichtiger ist die Prävention.

 

Das akute Koronarsyndrom muss jederzeit und in allen Kontexten Besprechungsplatz finden. Schliesslich stellt es für uns alle ab mittlerem Alter eine stete Bedrohung dar, die an Heimtückigkeit ihresgleichen sucht. «Battre vite et fort» hat sich durchgesetzt. Es gilt keine Zeit zu verlieren und nur die kathetertechnische oder chirurgische Behandlung der rupturierten Plaque, die diesem Syndrom zugrunde liegt, schöpft das Therapiepotenzial aus. Selbstredend geschieht dies auf dem Hintergrund moderner gerinnungshemmender und Plaque stabilisierender Medikamente. Die zelluläre Therapie der Myokardischämie ist als Hoffnungsschimmer am fernen Horizont ebenfalls besprochen. Leider wird kaum ein geneigter Leser ihre Einführung in die Routinemedizin erleben, zumindest nicht als Anwender.

 

Das Foramen ovale kann kathetertechnisch problemlos verschlossen werden. Da es die Unschuldsvermutung eines internen kleinen Schönheitsfehlers verloren hat, wird sein Verschluss zunehmend praktiziert. Gekreuzte Embolien waren anfangs die einzigen Indikationen. Unlängst sind chronische therapierefraktäre Kopfschmerzen (vor allem Migräne) dazugekommen.

 

Rhythmusstörungen und ihre Behebungen stellen das intellektuell anspruchsvollste Gebiet der Kardiologie dar. Nicht jeder braucht sich zum Bio-Elektroingeniör weiter zu bilden. Grundversorger müssen indes die wichtigsten Rhythmusstörungen und ihre modernen Behandlungsmethoden kennen. An beiden Enden der Skala der Rhythmusstörungen lauert der Tod.

 

Das Vorhofflimmern ist die häufigste ernsthafte Rhythmusstörung. Sie kann Jahrzehnte bestehen und führt per se selten zum Tod. Wichtigste Begleiterscheinung ist die Thrombenbildung vor allem im linken Vorhofohr mit dem Risiko systemischer Embolien. Die während Jahrzehnten dominierende orale Antikoagulation findet zunehmend Konkurrenten von oralen direkten Thrombinhemmern über wöchentlich gespritzte humorale Koagulationshemmer und moderne Plättchenhemmungsschemen bis zur kathetergestützten oder chirurgischen Ausschaltung des linken Vorhofohrs.

 

Die moderne Plättchenhemmung greift. Dies ist erfreulich aber zum Teil erstaunlich, da Resistenzen gegen die häufigsten Agenzien wie Azetylsalizylsäure und Clopidogrel zumindest in vitro häufig sind. Einmal mehr scheint sich die klinische Realität nicht um Laborexperimente zu scheren.

 

Ein Kongressbericht der Jahrestagung der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie in München vom 29.8. bis 1.9.2004 leitet die selektive Besprechung einiger interessanter soeben veröffentlichter randomisierter Studien ein.

 

Das Ende des Booms in der Kardiologie, wie auch in anderen medizinischen Hauptgebieten, ist nicht abzusehen. Die in der Schweiz erfundene Koronardilatation hat in den 27 Jahren ihres Bestehens eine technische Raffinesse erreicht, die nur noch im Detail verbessert werden kann. Die nochmalige deutliche Senkung des Restenoserisikos durch medikamentös aktive (drug-eluting) Stents ermuntert zum Einsatz der Koronardilatation auch bei noch milden Stenosen. Damit werden sich die Patienten mit Mehrgefässbefall ausdünnen, da sie sequentiell beim Auftreten der einzelnen Stenosen erfasst und dilatiert werden. Die Bypasschirurgie wird dies spüren, mehr als eine Ausweitung der Dilatationsindikation zu den bislang ihr anheim gefallenen Koronarsituationen. Die Einführung des Stents hatte das Potenzial, die Dilatation sicherer zu machen. Leider geht die während dem akuten Eingriff gewonnene Sicherheit wieder verloren, da heute zu viele Stents eingesetzt werden. Stents haben ein Risiko von einigen wenigen Prozenten, in den ersten Tagen oder Wochen nach dem Einsetzen zu thrombosieren. Dieses Risiko ist der Ballondilatation fremd. Mithin treten bei dem heute weltweit praktizierten nahezu 100%-igen Stenteinsatz die beim Eingriff allenfalls verhüteten Gefässverschlüsse und Infarkte (Ursachen der Todesfälle) verzettelt über die erste Nacheingriffszeit auf. Immerhin bleibt die Restenoseverminderung. Die ideale Stentrate von 25% der Patienten wird zu Recht von niemandem angewendet, da nicht im Einzelfall vorauszusehen ist, welche 25% gestentet werden müssen. Dass es 25% sind, geht aus der Rechnung hervor, dass die einfache Ballondilatation nur in ca. 30% zu akuten Problemen oder Restenosen führt. Da 5% davon auch durch den Stent nicht verhindert werden können, verbleiben 25%, bei denen der Stent nützt. Bei allen anderen nützt er nichts, kann aber schaden. Der medikamentös aktive Stent stand zunächst im Verdacht, die subakuten Verschlüsse gegenüber dem konventionellen passiven Stent gar zu erhöhen. Dies scheint glücklicherweise nicht der Fall zu sein. Von einer Sicherheitsverbesserung ist indes keine Rede und damit erlaubt der aktive Stent logischerweise nicht, das Indikationsspektrum gegenüber der Bypasschirurgie auszuweiten. Die unbestrittene Reduktion des Restenoserisikos stellt ein Komfortmerkmal dar. Die Patienten brauchen nicht noch einmal zu kommen. Patienten und manchmal auch wir Ärzte vergessen, dass die Restenose lästig aber nicht gefährlich ist und dass nach einigen Monaten die behandelte Stelle ihren endgültigen Zustand erreicht hat und weitere Probleme (aber auch ein weiterer Nutzen) eines (aktiven) Stents auszuschliessen sind. Daher rührt die Überschätzung des Potenzials des (aktiven) Stents. Der Patient nimmt an, dass dieses Implantat ihm für den Rest des Lebens dient (wie eine Herzklappe oder ein Schrittmacher). Wäre er sich bewusst, dass der Effekt sich lediglich in den ersten Wochen oder Monaten manifestiert und es nur um Komfortmerkmale geht, würde wohl manch ein Patient (und Arzt) die Karte «kein Stent» spielen und sich nach 6 Monaten freuen, wenn sie gestochen hat. Dies ist bei guter Selektion der Patienten in über 90% der Fall.

 

Gesamthaft wird sich die Kardiologie vor allem bei den Frühstadien der kardiovaskulären Erkrankungen (Prävention) und beim alten Menschen am anderen Ende des Spektrums quantitativ weiterentwickeln (müssen). Massnahmen, die die aktive Teilnahme des potenziellen Patienten bedingen, werden auch in Zukunft schlecht greifen. Amerikaner haben es gezeigt. Ein Teil der Bevölkerung benimmt sich exemplarisch mit fast täglicher körperlicher Betätigung und Einhalten des idealen Körpergewichts durch gesunde Ernährung. Der andere (leider grössere) Teil lässt sich mehr den je gehen, den ubiquitären Versuchungen erliegend. Es obliegt der medizinischen Gilde, Mittel und Wege zu finden, die Prävention im Hintergrund quasi vom Individuum unbemerkt durchzuführen. Allenfalls wird ein einmaliger, einer Impfung vergleichbarer Eingriff (z.B. Genkorrektur) vom Gesunden toleriert. Regelmässige Eigenleistungen angefangen von der Einnahme von Pillen werden dagegen als unzumutbar erachtet. Es gilt, die gefährlichen Gene aus- und die schützenden einzuschalten. Man arbeitet daran, aber der Erfolg ist ungewiss und alles andere als imminent. Genetische und molekularbiologische Eingriffe zur Reparatur zerstörten Gewebes (Stammzellenregeneration von Gefässen oder Muskelzellen) scheinen nicht minder schwierig und weniger attraktiv. Der Mut könnte hier vergehen, bevor Resultate anfallen.

 

Wie sieht der Kardiologe die ideale kardiovaskuläre Versorgung seiner Mitmenschen, seiner Nächsten und seiner selbst? Kinder sollten schlank aufgezogen und an gesunde salzarme Kost gewöhnt werden. Wenn dies bei Muttern so wahr, besteht weitgehende Gewähr, dass es so bleiben wird. Um die nachvollziehbare Tablettenphobie des Gesunden zu umgehen, wird man langfristig nicht umhin können, in Analogie zum Jodzusatz des Kochsalzes bzw. dem Fluorbeisatz der Zahnpasten schützende Stoffe gängigen Konsummitteln beizumischen. Vitamin B in der Milch ist bereits Realität. Ein Statinzusatz tönt verrückt, vor allem wenn zusätzlich Clopidogrel oder etwas ähnliches in Betracht gezogen wird, aber wer weiss. Das Echokardiogramm sollte alle 10 Jahre zur Anwendung kommen bei Normalbefund. Damit ist die Funktion des Herzmuskels und der Klappen schon mal abgedeckt. Die Magnetresonanz kann dies auch und wird wohl bald eine nicht-invasive Koronarographie inklusive Flussbestimmung erlauben. Wir werden uns also mindestens alle 10 Jahre in die Röhre legen. Zahllose pathologische oder unklare Befunde werden weitere Abklärungen und Therapien veranlassen, und dies nicht nur für das Herz, da die Magnetresonanz auch die Umgebung (zum Beispiel Lungentumoren) aufzeigt. Zeit dafür werden wir haben, Geld dafür sollten wir haben. Laut Bundesamt für Statistik gaben die Schweizer Haushalte im Jahr 2002 für unwesentlichere Dinge wesentlich mehr Geld aus. Weshalb sollten wir nicht 10% oder mehr für unsere Gesundheit ausgeben. Was ist wichtiger als die Gesundheit, bzw. das Leben?

 

Bei Entdeckung einer kardiovaskulären Erkrankung bzw. einer Risikokonstellation kommt ein vernünftigmaschiges Kontrollschema zur Anwendung. Dies kann heissen monatliche Blutdruckkontrolle oder jährliche Belastungsversuche bzw. bildgebende Verfahren. Was therapeutisch gemacht werden kann wird ohne Verzug und erschöpfend durchgeführt (Medikamente, Kathetereingriffe, Operationen), wobei auf Einfachheit geachtet wird (Kombinationspräparate, schonendste Eingriffsart, etc.). Die meisten Eingriffe werden ambulant durchgeführt und Erholungszeiten fallen weg oder sind ultrakurz. Zeitpunkt für neue Abklärungen oder Eingriffe ist jede Einschränkung der Lebensqualität. Im Alter entscheiden wir uns selbst vernünftig. Sind wir dazu nicht imstande, tut es hoffentlich jemand für uns. Noch Fragen?

 

 

Prof. Dr. med. Bernhard Meier, Schweizer Herz- und Gefässzentrum Bern, Universitätsklinik Inselspital, Bern.



 
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