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Das offene Foramen ovale (PFO) – neue Aspekte

Was haben Migränepatienten mit Aura, Taucher mit Dekompressionszwischenfällen und Erwachsene mit kryptogenem Hirnschlag gemeinsam? Eine neurologische Symptomatik die zumindest partiell von einem kardialen Rechts-Links-Shunt, einem offenen Foramen ovale, verursacht werden kann. Das offene Foramen ovale (= patent forman ovale, PFO) ist ein intermittierender interatrialer Rechts-Links-Shunt, welcher in jedem vierten Adulten vorliegt. Pränatal trägt das atriale Foramen ovale zusammen mit dem offenen Ductus botalli zur Umgehung der Lungenzirkulation bei. Postnatal wird das dünnwandige linksatriale Septum secundum aufgrund der atrialen Druckunterschiede gegen das kräftige rechtsatriale Septum primum gedrückt und verschliesst funktionell das Foramen ovale. In der Regel folgt ein anatomischer Verschluss in den kommenden Monaten. Bleibt ein Verwachsen der überlappenden Abschnitte von Septum primum und Septum sekundum aus, öffnet sich das Foramen ovale in Momenten, wo der rechtsatriale Druck den linksatrialen übersteigt.

 

PFO und kryptogener Hirnschlag

Initial als Laune der Natur betrachtet, gewann das PFO in den vergangenen Jahren an klinischer Bedeutung. Wegweisend war eine Studie, welche eine erhöhte Prävalenz dieser kardialen Shuntquelle bei jüngeren Erwachsenen (< 55. Lebensjahr) mit kryptogenem Hirnschlag aufzeigte. In Patienten ohne klassisches kardiovaskuläres Risikoprofil und ohne offensichtliche Stroke-Ursache konnte in 54 % aller Fälle mittels Echokardiographie ein PFO dokumentiert werden, verglichen mit 10% in einer Kontrollgruppe [1]. Es war naheliegend zu vermuten, dass PFO-vermittelte paradoxe Embolien einem Teil der zerebral-ischämischen Ereignissen zu Grunde lag. Nachfolgende Studien haben diese Assoziation bestärkt und gezeigt, dass das embolische Potential eines PFO unter anderem von der Shuntgrösse abhängt. Zur Zeit untersuchen mehrere prospektive Studien die Wertigkeit des technisch relativ einfachen perkutanen Shuntverschluss zur Prophylaxe rekurrenter paradox-embolischer Ereignisse verglichen mit medikamentöser Therapie (Thrombozytenaggregationshemmern oder orale Antikoagulation). Die zur Zeit wohl besten erhältlichen Daten lassen schliessen, dass der kathertechnische Shuntverschluss der medikamentösen Therapie ebenbürtig und für bestimmte Risikopatienten überlegen ist [2].

 

PFO bei Tauchern

Die Bedeutung des offenen Foramen ovale als Quelle paradoxer Embolien ist auch aus anderweitigen klinischen Situationen bekannt. Taucher mit einem PFO sind einem erhöhten Risiko paradoxer Gasembolien ausgesetzt, welche mit schweren Dekompressionszwischenfällen einhergehen können [3]. Das Risiko eines Dekompressionszwischenfalles ist absolut gesehen gering und mag für manchen Hobbytaucher vernachlässigbar sein. Dies trifft jedoch weniger für Berufstaucher zu welche Tauchprofile aufweisen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Stickstoffausfällung im venösen Gefässbett führen und gegebenenfalls zu Gasembolien führen können. In dieser Berufsgattung oder bei Hobbytauchern mit durchgemachten unerklärbaren Dekompressionszwischenfällen ist die Abklärung hinsichtlich PFO sinnvoll.

 

Neue Erkenntnisse: PFO und Migräne mit Aura

Klinische Ähnlichkeiten zwischen der neurologischen Defizit Symptomatik einer Migräneaura und kurzzeitigen fokalen zerebral-ischämischen Ereignissen haben italienische Neurologen veranlasst, die Häufigkeit eines Shuntes bei Migränikern mit einer Aurasymptomatik zu bestimmen. Mit Hilfe von transkraniellem Doppler wurden Migränepatienten auf das Vorliegen eines Rechts-Links-Shuntes untersucht und wiederum wurde eine erhöhte Shuntprävalenz bei Migränikern mit Aura gefunden (bei jedem zweiten Patienten). Patienten mit Migräne ohne Aura hatten eine ähnliche Shuntprävalenz wie die beschwerdefreie Kontrollgruppe (ca. 20%) [4]. Die Detektion eines Shuntes mittels transkraniellem Doppler lässt keine genaue anatomische Diagnose zu. Verwendet werden Ultraschallkontrastbubbles, welche die Lungenkapillaren nicht passieren können. Jeglicher Rechts-Links-Shunt zwischen der Injektionsstelle (normalerweise eine Armvene) der Ultraschallkontrastbubbles sowie der beschallten Arterie (normalerweise die Arteria cerebri media) präsentiert sich aber mit den gleichen HITS (high intensity signals). Die überwiegende Mehrheit aller Rechts-Links-Shunt erfolgen anatomisch aufgrund seiner Häufigkeit durch ein PFO. Mittels transösophagealer Echokardiographie haben wir vor kurzem bei knapp 100 Patienten mit Migräne mit Aura eine PFO-Häufigkeit von nahezu 50% bestätigen können.

 

Die zweite Erkenntnis welche eine kausale Assoziation zwischen PFO und Migräne mit Aura unterstützt, ist eine Beobachtung aus retrospektiven Studien. Es wurde wiederholt dokumentiert, dass der perkutane PFO-Verschluss mit einer Reduktion der Migräneattacken einhergeht [5,6]. In allen diesen Studien wurde das PFO zur Verhinderung rekurrenter paradox-embolischer Ereignisse verschlossen, entweder bei Patienten nach kryptogenem zerebrovaskulärem Insult, nach peripheren Embolien oder bei Tauchern nach Dekompressionszwischenfällen. In jeder Patientengruppe wurde retrospektiv eine beim Zeitpunkt des Verschlusses unbeabsichtigte und bis dato unbekannte Migränereduktion beobachtet. Als dritte Besonderheit wurde festgehalten, dass Patienten mit PFO häufiger eine Migräneanamnese aufweisen als Patienten ohne PFO. Unter Berück-sichtigung all dieser Gesichtspunkte ist eine kausale Verknüpfung zwischen PFO und Migräne mit Aura denkbar.

 

Pathophysiologie Migräne mit Aura und PFO

Weit weniger untersucht sind die pathophysiologischen Mechanismen, welche eine Assoziation zwischen einem PFO und Migräne mit Aura erklären können. Neurophysiologisch wird die Aurasymptomatik einer Migräneattacke als kurzdauernde kortikale Welle neuronaler Erregung betrachtet, welche sich langsam über den Kortex ausbreitet (cortial spreading depression). Die daraus resultierende Refraktärperiode der Neuronenmembran führt zur Negativsymptomatik der Aura (Skotom, Parästhesien, etc.) und via Aktivierung von Hirnstammstrukturen kommt es letztlich zum Kopfschmerz. Weniger bekannt als der eigentliche Ablauf der Migräneattacke sind die zu Grunde liegenden Trigger. Wahrscheinlich können fokale Ischämien eine Attacke auslösen, was das PFO als Emboliequelle ins Spiel bringt. Diese Hypothese wird im weiteren gestützt durch Fallberichte, welche eine Reduktion von Migräne unter oraler Antikoagulation beschreiben. Unabhängig von seiner Rolle als Migränetrigger erklärt die erhöhte Prävalenz eines PFO das gehäufte Vorkommen ischämischer zerebrovaskulärer Ereignisse bei Migränepatienten, insbesondere bei Frauen mit Hyperkoagulabilität.

 

Nebst der Bedeutung des PFO als Quelle paradoxer Embolien wird diskutiert, dass ein intermittierender kardialer Rechts-Links-Shunt vasoaktive Substanzen (z. B. Serotonin) die Lungenstrombahn partiell umgehen lässt und damit deren pulmonale Clearance vermindert. Ob dadurch eine zuminderst intermittierend erhöhte arterielle Konzentration vasoaktiver Migränetrigger vorliegt ist spekulativ.

 

Abbildung 1: Beeinflussung von Kopfschmerzen durch perkutanen PFO-Verschluss. Von 215 Patienten zugewiesen zum perkutanen PFO-Verschluss nach paradox-embolischen Ereignissen äusserten 48 (22%) Migränebeschwerden. Dies entspricht einer doppelt so hohen Migräneprävalenz als erwartet. Nach perkutanem PFO-Verschluss ging die Häufigkeit von Migräneattacken um 50% zurück. Keine signifikante Beeinflussung der Kopfschmerzhäufigkeit wurde in 33 Patienten beobachtet, die an Spannungskopfschmerzen litten [5].

 

Zur Zeit sind weitere Studien geplant, welche prospektiv den Einfluss des perkutanen PFO-Verschlusses auf Migräne mit Aura untersuchen. Die Datenlage hinsichtlich Migräne ohne Aura ist kontrovers, da einerseits keine erhöhte Prävalenz eines PFO bei dieser Patientengruppe nachgewiesen werden konnte, andererseits retrospektive interventionelle Studien dennoch eine Reduktion der Migränebeschwerden auch bei einfacher Migräne (ohne Aura) dokumentieren. Dies deutet darauf hin, dass die Datenlage bis anhin noch auf schwachen Füssen steht und weitere Ergebnisse abgewartet werden sollten. Die Aussicht, dass in einer Subgruppe von Migränepatienten das PFO als Migränetrigger einer Rolle spielen kann stimmt zuversichtlich, da dadurch weitere Optionen der Migräneprävention nebst der etablierten medikamentösen Therapie in Zukunft offen stehen können.

 

 

Dr. med. Markus Schwerzmann, Schweizer Herz- und Gefässzentrum Bern, Universitätsklinik Inselspital, Bern.

 

Literatur
1. Lechat P, Mas JL, Lascault G, Loron P, Theard M, Klimczac M et al. Prevalence of patent foramen ovale in patients with stroke. N Engl J Med 1988;318(18):1148-52.
2. Windecker S, Wahl A, Nedeltchev K, Arnold M, Schwerzmann M, Seiler C et al. Comparison of medical treatment with percutaneous closure of patent foramen ovale in patients with cryptogenic stroke. J Am Coll Cardiol 2004;44(4):750-8.
3. Torti SR, Billinger M, Schwerzmann M, Vogel R, Zbinden R, Windecker S et al. Risk of decompression illness among 230 divers in relation to the presence and size of patent foramen ovale. Eur Heart J 2004;25(12):1014-20.
4. Anzola GP, Magoni M, Guindani M, Rozzini L, Dalla Volta G. Potential source of cerebral embolism in migraine with aura: a transcranial Doppler study. Neurology 1999;52(8):1622-5.
5. Schwerzmann M, Wiher S, Nedeltchev K, Mattle HP, Wahl A, Seiler C et al. Percutaneous closure of patent foramen ovale reduces the frequency of migraine attacks. Neurology 2004;62(8):1399-401.
6. Wilmshurst PT, Nightingale S, Walsh KP, Morrison WL. Effect on migraine of closure of cardiac right-to-left shunts to prevent recurrence of decompression illness or stroke or for haemodynamic reasons. Lancet 2000;356(9242):1648-51.



 
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