Ernährung - Bei wem, wann und wie
Definitionen
- Unterernährung: Verringerte Energiespeicher
- Mangelernährung
- Eiweissmangel - Spezifischer Nährstoffmangel (Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, essentielle FS (Fettsäuren))
- Krankheitsassoziierter Gewichtsverlust
Folgen der Mangelernährung
- Immunsystem (Abwehrlage geschwächt, Steigende Infektrate)
- Magen- Darmtrakt (erhöhte intestinale Permeabilität, Atrophie der Darmzotten, Maldigestion und Malabsorption)
- Verlust an Muskelkraft (kardiale und respiratorische Funktion eingeschränkt, länger dauernde Mobilisierung)
- Herz: Höheres Risiko für Arrhythmie und plötzlicher Herztod, Bradykardien, QT-Verlängerungen
- Lunge: Emphysematöse Veränderungen, Vitalkapazität sinkt, Surfactant-Produktion sinkt
- Psyche: Depression, Lethargie
- Wundheilungsstörungen (Nahtinsuffizienz, verzögerte Frakturheilung, Druckulzera)
- Komplikationsrate: 2.6 bis 3.4fach höher
- Mortalität: 3.8fach höher
- Wirtschaftliche Folgen: LOS (Hospitalisationszeit) 8.2 versus 15.6 Tage, Mehrkosten zwischen 3'000 und 8'000 Euro pro Patient
Erste grundsätzliche Frage: Welchen Patienten sollten wir ernähren? (Identifizierung von Risikopatienten)
Einschätzung des Ernährungsstatus durch:
Klinische Methoden
- BMI (aber: Bei schlanken Pat. wird der BMI zunehmend ungenauer, bei Ödemen ist er nicht verwertbar und bei sehr trainierten Pat. spiegelt der BMI die Fettmasse nicht korrekt wider)
- Anthropometrische Verfahren (meist aber nicht standardisiert)
Physikalische Methoden
- Bioelektrische-Impedanz-Analyse (Manche Geräte benutzen Algorithmen, die auf nicht überprüfbaren Annahmen beruhen, daher immer verwendete Gleichungen angeben)
- Neutronenaktivierung (Goldstandard zur Bestimmung der Gesamtkörperzell- und Eiweissmasse, für Routine aber zu aufwändig)
Laborchemische Methoden
- Serumalbuminspiegel
- Niedrige Spiegel korrelieren gut mit Anstieg von Letalität und Morbidität
- Präalbumin
- HWZ nur 2-3 Tage - Gute Korrelation mit Mangelernährung - Kontrolle der Ernährung
- Retinol bindendes Protein
- HWZ 12-14 h - Gute Korrelation mit Mangelernährung
- Transferrin
- Creatinin-Grössen-Index
- Quotient zwischen der 24 Stunden Kreatininausscheidung im Urin eines Patienten und der 24 Stunden Kreatinin Ausscheidung eines Probanden mit gleichem Körpergewicht - Korreliert gut bei Mangelernährung - Hohe Varianz der Methode
Summenscores
- SGA (Subjective Global Assesment)
- Nutritional Risk Score nach Kondrup
Zweite grundsätzliche Frage: Wann sollen wir beginnen?
- Wenn innerhalb von 7 Tagen keine ausreichende orale Ernährung möglich ist (Sandstrom: 10fach höhere Mortalität bei postoperativ hypokalorischer Ernährung über 14 Tage versus enterale/parenterale Nahrung binnen 7 Tagen)
- BMI < 15-18
- Kondrup > 4
- Tiefes Albumin, Cut off Wert ist aber nicht definiert
- Bei kritisch Kranken enterale Ernährung binnen 24h
Dritte grundsätzliche Frage: Wie sollten wir die Ernährung applizieren?
Patienten, die keine Mangelernährung aufweisen und enteral ernährt werden können, sollen enteral ernährt werden. Kritisch kranke Patienten mit schwerer Mangelernährung sollen enteral und zusätzlich parenteral ernährt werden
Gastrale Ernährung bei
- Intakter Reservoirfunktion
- geordneter Magenentleerung
Jejunale Ernährung bei
- Aspirationsgefahr
- Magenatonie
- ungeordnete gastrale/intestinale Motilität
- gastrale Ulcera
- Pankreatitis
Indikation der parenteralen Ernährung (PN)
- Additiv
- Wenn Keine ausreichende enterale Kalorienzufuhr innerhalb von 7 Tagen möglich
- Total parenterale Ernährung (TPN)
- Totale Obstruktion im GIT - Paralytischer oder mechanischer Ileus - Peritonitis - Kurzdarmsyndrom (Darmlänge < 60 cm)
Quintessenz zum Wie
- Orale Supplementierung (Ernährungstherapie Trinknahrung) solange ausreichende Kalorienzufuhr möglich
- Bei ineffektiver oraler Ernährung innerhalb von 7 Tagen Start einer EN
- Die jejunale Ernährung ist effektiver und komplikationsärmer als die gastrale Ernährung
- Beim kritisch Kranken und Malnutrition Start einer kombinierten EN/PEN
TPN bei Kontraindikation der EN
Vierte grundsätzliche Frage: Was und wieviel sollen wir geben?
Wieviel sollen wir geben?
- Energiebedarf = Basisbedarf (25 kcal/kgKG) x Muskelaktivität (bettlägrig = 1.2; nicht bettlägrig= 1.3) x Traumafaktor (mässig = 1.1; stark = 1.5; Verbrennung= 2.1)
- Katabolie und Ernährung
- In der EBB- und Flowphase deutliche Reduktion der Kalorienzufuhr - Eine Erhöhung der Kalorienzufuhr hat keinen Einfluss auf die Katabolie. Cave: Fettleber, Hyperglycämie - Unter Eiweisszufuhr wird die Katabolie reduziert, aber nie gänzlich aufgehoben - Beste Resultate mit 1.5 g Eiweiss/kgKG
Was geben?
Kohlenhydrate:
- Glucose
- generell einsetzbar
- Xylit
- Zuckeraustauschstoff - geringerer Insulinanstieg - niedriger BZ-Anstieg - Lipidoxigenisation ↑
- Fructose/Sorbit
- niedriger glycämischer Index
Proteine
- Eiweissart
- parenteral in Form freier Aminosäuren oder Oligopeptiden
- immer gleichzeitige Energiezufuhr (KH oder Fett) - langsam infundieren ansonsten Unverträglichkeitsreaktion
- enteral als Milch- oder Sojaeiweiss oder Oligopeptide
- Glutamin und Arginin speziell wichtig
Fette
- Infusionsdauer: mindestens 12h, besser 24h (Übelkeit, Erbrechen)
KI - Gerinnungsstörungen - schwere Fettstoffwechselstörungen - Triglyceride > 3,5 g/l
- Zusammensetzung aus freien, einfach- und mehrfach ungesättigten FS beachten
Zusätze
- Selen
- Zink
- Phosphat
- Vitamine
- Ballaststoffe
Empfehlung zur Immunnutrition
- Grad A Empfehlung
- elektiv operierte Patienten mit Ernährungsindikation
- Grad B Empfehlung
- Pat. mit leichter Sepsis - ARDS Patienten - kritisch Kranke, die enteral ernährt werden können
- Keine Empfehlung oder sogar kontraindiziert
- Patienten mit schwerer Sepsis - schwerkranke Intensivpat. ohne ausreichende enterale Ernährung
|
Mediscope |
|
31.05.2006 - dde |
|
|
|